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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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gehen.«
    Der Hund war verschwunden, doch Mrs. Grales packte noch einmal den Ärmel des Abtes. »Nur noch’n Minütchen für mich, Vater, un dann halt ich Euch nich länger mehr auf. S’is wegen Klein Rachel, daß ich Euch sprechen wollt. Da is die Taufe un die Segnung, un ich wollt Euch fragen, ob Ihr mir die Ehre – «
    »Mrs. Grales«, unterbrach der Abt sie milde, »gehen Sie zu dem Priester Ihrer Pfarrgemeinde. Er sollte sich um diese Sachen kümmern, nicht ich. Ich habe keine Pfarrei – nur das Kloster. Sprecht mit Vater Selo von Sankt Michael. Unsere Kirche hat ja nicht mal ein Taufbecken. Und Frauen sind gar nicht zugelassen, außer auf der Empore…«
    »Die Kapelle der Schwestern hat ’nen Taufstein, und Frauen dürfen…«
    »Es ist Vater Selos Angelegenheit, nicht meine. Es muß in Ihrer eigenen Pfarrgemeinde aufgeschrieben werden. Nur im Notfall dürfte ich…«
    »Jawoll. Jawoll, das weiß ich, aber ich bin bei Vater Selo gewesen. Ich hab Rachel in seine Kirche gebracht, un der Narr hat si nich mal angefaßt.«
    »Er weigerte sich, Rachel zu taufen?«
    »Genau das hatter gemacht, der Narr.«
    »Sie sprechen von einem Priester, Mrs. Grales, und er ist kein Narr, ich kenne ihn gut. Er muß Gründe für seine Weigerung haben. Wenn Sie mit seinen Gründen nicht zufrieden sind, dann sprechen Sie mit einem anderen Priester – aber nicht mit einem Ordensgeistlichen. Gehen Sie zum Pfarrer von Sankt Maisie, vielleicht…«
    »Jawoll! Un das hab ich auch schon gemacht…« Sie stürzte sich in eine Rede, die eine ausgedehnte Aufzählung ihrer Strategie zugunsten der ungetauften Rachel zu werden versprach. Die beiden Mönche hörten ihr zu, geduldig zunächst, dann aber, während er die Frau ansah, ergriff Joshua plötzlich den Arm des Abtes, direkt über dem Ellbogen; seine Finger preßten immer stärker, bis der Abt sich vor Schmerz wand und die Finger mit seiner andern Hand wegriß.
    »Was tust du denn!« keuchte er, doch dann sah er das Gesicht Joshuas. Die Augen hafteten auf der alten Frau, als wäre sie ein Basilisk. Zerchi folgte dem Blick, aber er sah nichts Ungewöhnlicheres als sonst auch: der zweite Kopf war halb hinter eine Art Schleier versteckt, aber Bruder Joshua hatte doch das sicherlich oft genug gesehen.
    »Es tut mir leid, Mrs. Grales«, fiel Zerchi ihr ins Wort, sobald sie außer Atem geriet. »Ich muß nun wirklich gehen. Ich werde Ihnen was sagen: ich werde Vater Selo Ihretwegen anrufen. Mehr kann ich nicht tun. Ich sehe Sie bald wieder, nicht wahr?«
    »Dann bedank ich mich halt vielmals, und Vergebigung, daß ich Euch aufgehalten hab.«
    »Gute Nacht, Mrs. Grales.«
    Sie traten durchs Tor und gingen auf das Refektorium zu. Joshua hämmerte mehrmals seinen Handballen gegen die Schläfe, als wolle er damit etwas an den rechten Platz zurückschütteln.
    »Warum hast du sie denn so angestarrt?« fragte der Abt. »Ich fand das ziemlich ungezogen.«
    »Habt Ihr es denn nicht bemerkt?«
    »Bemerkt? Was?«
    »Dann habt Ihr es nicht bemerkt. Also… es ist nicht so wichtig. Aber sagt mir, wer ist Rachel? Und warum tauft man das Kind nicht? Ist es eine Tochter von Mrs. Grales?«
    Abt Zerchi lächelte ohne eine Spur von Humor. »Das behauptet jedenfalls Mrs. Grales. Aber es bestehen einige Zweifel, ob Rachel ihre Tochter, ihre Schwester – oder nur ein Auswuchs ist, der aus ihrer Schulter kommt.«
    »Dann ist Rachel – ihr zweiter Kopf?«
    »Brüll nicht so. Sie kann uns noch hören.«
    »Und sie will das taufen lassen?«
    »Ja, und ziemlich rasch, nicht? Es scheint eine fixe Idee bei ihr zu sein.«
    Joshua fuchtelte mit den Armen. »Wie entscheiden sie solche Fälle?«
    »Ich weiß es nicht, und ich will es nicht wissen. Ich bin dem Himmel nur dankbar, daß nicht ich es bin, der es entscheiden muß. Wenn es einfach ein Fall von siamesischen Zwillingen wäre, dann hätte es überhaupt keine Schwierigkeit. Aber es sind keine siamesischen Zwillinge. Die Oldtimer sagen, daß Rachel bei der Geburt von Mrs. Grales noch nicht vorhanden war.«
    »Ein Bauernmärchen!«
    »Möglich. Aber ein paar sind bereit, das unter Eid auszusagen. Wie viele Seelen hat ein altes Weiblein mit einem zweiten Kopf - einem Kopf, der einfach ›nachgewachsen‹ ist? Solche Geschichten verursachen Magengeschwüre in den höheren Rängen, mein Sohn. Aber nun sage mir, was du bemerkt hast? Warum hast du sie so angestarrt und versucht, mir meinen Arm zu brechen?«
    Es dauerte eine Weile, bis der Mönch antwortete. »Es hat

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