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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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mich angelächelt«, sagte er schließlich.
    »Was hat dich angelächelt?«
    »Ihr Extra – hm – Rachel. Sie lächelte. Ich hatte das Gefühl, sie würde aufwachen.«
    Der Abt hielt ihn an der Refektoriumstür zurück und betrachtete ihn neugierig.
    »Sie hat gelächelt«, wiederholte Joshua sehr ernst.
    »Das hast du dir eingebildet.«
    »Ja, mein Vater.«
    »Dann mach auch ein Gesicht danach.«
    Bruder Joshua versuchte es. »Ich kann nicht«, gestand er.
    Der Abt steckte die Münzen der alten Frau in den Opferstock für die Armen. »Gehen wir hinein«, sagte er.
     
     
    Das neue Refektorium war funktional, es besaß Chromstahlmöbel, war nach akustischen Gesichtspunkten maßgeschneidert und mit bakteriziden Lampen ausgestattet. Verschwunden waren die rauchgeschwärzten Mauern, die Talglampen, die hölzernen Schüsseln und die im Keller ausgereiften Käse. Abgesehen von der kreuzförmigen Anordnung der Tische und einer Reihe von Bildern an einer Wand glich der Raum einer Fabrikskantine. Die Atmosphäre war verändert, wie sich die Atmosphäre der ganzen Abtei geändert hatte. Nach endlosen Anstrengungen, die die Mönche unternommen hatten, um die kulturellen Reste einer langen schon toten Zivilisation zu bewahren, hatten sie die Geburt einer neuen und mächtigeren Zivilisation miterlebt. Die alten Aufgaben waren erfüllt; neue wurden gefunden. Die Vergangenheit wurde ehrfurchtsvoll in Glaskästen ausgestellt, doch sie war nicht länger gegenwärtig. Der Orden paßte sich dem Lauf der Zeiten an, der Ära von Uran und Stahl und flammenden Raketen und dem Grollen der Schwerindustrie und dem hohen dünnen Pfeifen der Interstellar-Triebwerke. Der Orden paßte sich an - wenigstens äußerlich.
    »Accedite ad eum«, intonierte der Vorleser.
    Die Mönche in ihren Kutten standen während der Lesung unruhig an ihren Plätzen. Noch war das Essen nicht aufgetragen worden, auf den Tischen standen noch keine Schüsseln und Teller. Das Abendessen war verzögert worden. Der Organismus, diese Gemeinschaft, deren Zellen Männer waren, deren Leben durch siebzig Generationen geflossen war, schien an diesem Abend gespannt zu sein, schien eine falsche Note zu hören, schien zu spüren - durch die Verwachsenheit in der Gemeinschaft –, was nur einigen wenigen bekannt war. Dieser Organismus lebte als ein Körper, betete und arbeitete als ein Körper, und zuweilen schien er ein vages Bewußtsein zu besitzen, einen Verstand, der die einzelnen Glieder erfüllte und mit sich selbst und den andern in der lingua prima, der Babysprache der Species, flüsterte. Vielleicht war die Spannung auf Grund der schwachen Zisch-und Grollgeräusche der Versuchsraketen auf den fernen Abwehrraketenrampen ebenso gewachsen wie durch die unerwartete Verzögerung des Abendessens.
    Der Abt klopfte ruhegebietend, dann winkte er seinen Prior, Vater Lehy, zum Lesepult. Der Prior wirkte einen Augenblick lang, als habe er Schmerzen, dann begann er zu sprechen.
    »Wir alle beklagen die Notwendigkeit«, sagte er am Ende, »die uns zwingt, die Ruhe des kontemplativen Lebens durch Nachrichten aus der Welt draußen zu stören. Doch wir müssen uns auch daran erinnern, daß wir hier sind, um für die Welt und ihr Heil zu beten, genauso wie für unser eigenes. Und gerade jetzt könnte die Welt Gebete gut gebrauchen.« Er hielt ein und schaute zu Zerchi hinüber.
    Der Abt nickte.
    »Luzifer ist gefallen«, sagte der Prior und schwieg. Er stand da und blickte auf das Lesepult nieder, als hätte ihn plötzlich der Schlag getroffen.
    Zerchi erhob sich. »Das ist die Schlußfolgerung von Bruder Joshua, nebenbei gesagt«, brach er in die Stille. »Der Regentschaftsrat der Atlantischen Konförderation hat nichts Nennenswertes von sich gegeben. Das Herrscherhaus hat kein Bulletin veröffentlicht. Wir wissen wenig mehr, als wir gestern wußten, außer daß der Weltgerichtshof sich zu einer Notstandssitzung getroffen hat und daß die Leute von der Inneren Verteidigung ziemlich heftige Tätigkeit entwickeln. Wir haben einen Verteidigungsalarm, und auch wir hier sind davon betroffen, aber seid nicht beunruhigt. Vater…?«
    »Danke, Domne«, sagte der Prior. Er schien seine Stimme wiederzugewinnen, als Dom Zerchi sich gesetzt hatte. »Also, der Verehrungswürdige Vater Abt hat mich gebeten, folgendes zu verkünden:
     
     
     Erstens: für die nächsten drei Tage werden wir das Kleine Offizium von der Muttergottes vor der Matutin singen und sie um ihre Fürsprache für den Frieden

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