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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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Mensch zwingt sie zu gehen.«
    »Aber Sie schreiben den Erlaubnisschein, mit dem sie in das Lager gehen können.«
    »Ich habe schon rote Scheine ausgestellt, manchmal. Und ich werde vielleicht diesmal welche ausschreiben müssen. Hier, sehen Sie…« Er suchte tastend in seiner Jackentasche und zog ein rotes Formular aus dünnem Karton hervor, es sah aus wie ein Gepäckanhänger mit einer Drahtschlinge, die man durch ein Knopfloch ziehen oder an einer Gürtelschlaufe befestigen konnte. Er ließ das Formular auf den Tisch fallen. »Ein Blankoformular für die kritdosis. Da ist es. Lesen Sie! Es sagt dem Mann, daß er krank ist, sehr krank. Und hier, hier haben Sie auch ein grünes Ticket. Das sagt dem Mann, daß er gesund ist und sich keine Sorgen zu machen braucht. Schauen Sie sich das rote gut an! Geschätzte Bestrahlung in Strahlungseinheiten. Blutmessung. Urinanalyse. Auf der einen Seite ist es genau wie das grüne Formular. Auf der andern Seite ist das grüne leer. Aber schauen Sie auf die Rückseite des roten. Der Kleindruck, das ist ein wortwörtliches Zitat des Völkerrechts Paragraph 10-WR-3E. Es muß dastehen, das ist gesetzlich vorgeschrieben. Es muß dem Patienten verlesen werden. Er muß über seine Rechte informiert werden. Was er dann damit anfängt, das ist seine eigene Sache. Und nun, wenn Sie es vorziehen würden, daß wir unsere Untersuchungswagen weiter unten an der Autobahn aufstellen, dann können wir…«
    »Sie lesen es ihm nur vor, nicht wahr? Nichts sonst?«
    Der Doktor schwieg zunächst. »Man muß es ihm doch erklären, wenn er es nicht versteht«, sagte er schließlich. Dann schwieg er wieder. Man sah, wie Erregung in ihm wuchs. »Du lieber Gott, Herr Abt, wenn Sie einem Mann sagen sollen, daß er ein hoffnungsloser Fall ist, wie sagen Sie’s ihm denn? Lesen Sie ihm ein paar Paragraphen aus dem Gesetzbuch vor, führen ihn zur Tür und sagen: der nächste, bitte! ›Sie werden sterben, also adieu‹? Selbstverständlich lesen Sie ihm das nicht nur vor und sagen ihm nichts dazu, jedenfalls nicht, wenn Sie eine Spur menschlichen Gefühls haben!«
    »Ich verstehe das. Was ich wissen möchte, ist etwas anderes. Geben Sie als Arzt aussichtslosen Fällen den Rat, in ein Erlösungslager zu gehen?«
    »Ich…« Der Arzt brach ab und schloß die Augen. Er ließ die Stirn auf seine Hand sinken, er zitterte kaum merklich. »Ja, natürlich tue ich das. Wenn Sie gesehen hätten, was ich gesehen habe, dann würden Sie’s auch tun. Natürlich tu ich’s.«
    »Hier werden Sie es nicht tun!«
    »Dann, zum T…« Der Doktor unterdrückte einen Zornesausbruch. Er erhob sich, wollte gerade seine Mütze aufsetzen, hielt aber dann inne. Er warf die Mütze auf einen Stuhl und schritt hinüber zum Fenster. Er schaute finster in den Hof hinab, dann hinüber zur Autobahn. Er zeigte mit der Hand. »Dort ist der Autobahnparkplatz. Wir können unsere Wagen dort aufstellen. Aber es ist zwei Meilen weit weg. Fast alle würden laufen müssen.« Er blickte kurz zu Abt Zerchi hin, dann schaute er wieder nachdenklich in den Hof hinunter. »Sehen Sie sie an. Sie sind krank, verletzt, zerbrochen, verstört. Die Kinder auch. Müde, gelähmt und elend. Und Sie wollen zulassen, daß man sie die Autobahn hinuntertreibt, wo sie im Staub und unter der Sonne hocken und…«
    »Ich will nicht, daß es so sein soll«, sagte der Abt. »Sehen Sie, Sie haben mir gerade erklärt, wie ein von Menschen gemachtes Gesetz Sie dazu verpflichtete, das da einem Fall mit kritischer Strahlungsmenge vorzulesen und zu erklären. Ich habe dagegen im Grunde keine Einwände erhoben. Gebt dem Kaiser bis hierhin, weil das Gesetz es von euch verlangt. Können Sie denn dann nicht auch verstehen, daß ich einem anderen Gesetz unterworfen bin und daß dieses Gesetz mir verbietet, Ihnen oder irgend jemand sonst auf diesem Grund und Boden, der unter meiner Gewalt ist, zu erlauben, daß Sie irgendeinem Menschen raten zu tun, was die Kirche Sünde nennt?«
    »Oh, ich verstehe ganz gut!«
    »Dann ist es ja gut. Sie brauchen mir nur ein einziges Versprechen zu geben, und Sie können den Hof benützen.«
    »Welches Versprechen?«
    »Einfach dies, daß Sie niemandem den Rat geben werden, in ein Erlösungslager zu gehen. Beschränken Sie sich auf die Diagnose. Wenn Sie dabei auf hoffnungslose Fälle von Strahlungskrankheit treffen, sagen Sie ihnen, was zu sagen das Gesetz Sie zwingt. Seien Sie so trostreich, wie Sie wollen, aber sagen Sie niemandem, er solle gehen

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