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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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denkt«, sagte der Besucher, und es war nur ein ganz kleiner steifer Unterton in seiner Stimme. »Was ich mit besser meine, ist barmherziger. Ich habe nicht die Absicht, mit Ihnen über moraltheologische Fragen zu streiten. Wenn Sie glauben, daß Sie eine Seele besitzen und daß Gott diese Seele zur Hölle schicken würde, wenn Sie es vorziehen, schmerzlos anstatt unter Qualen zu sterben, dann glauben Sie nur brav weiter daran. Aber Sie gehören zu einer Minorität, wissen Sie. Ich bin nicht mit Ihrem Standpunkt einverstanden, aber es gibt überhaupt nichts dabei zu diskutieren.«
    »Vergeben Sie mir«, sagte Abt Zerchi. »Ich wollte nicht etwa Moraltheologie mit Ihnen diskutieren. Ich habe von diesem Schauspiel der Masseneuthanasie nur bezüglich der menschlichen Motivation gesprochen. Die simple Tatsache, daß es ein Strahlungs-Katastrophen-Gesetz überhaupt gibt, und ähnliche Gesetze in anderen Ländern, ist doch der schlagendste Beweis dafür, daß die Regierungen sich völlig darüber im klaren waren, was ein neuer Krieg bedeuten würde. Doch statt daß sie versuchten, das Verbrechen unmöglich zu machen, versuchten sie im vornhinein Maßnahmen für die Folgen des Verbrechens zu ergreifen. Sind diese Schlußfolgerungen für Sie bedeutungslos, Doktor?«
    »Natürlich nicht, Herr Abt. Ich persönlich bin Pazifist. Aber gegenwärtig müssen wir mit der Welt eben fertig werden, wie sie ist. Und wenn sie sich schon nicht darüber einigen konnten, den Krieg unmöglich zu machen, dann ist es immerhin noch besser, ein paar Maßnahmen zu treffen, um mit seinen Folgen fertig zu werden, als gar keine.«
    »Ja und nein. Ja, wenn es heißt, daß man mit dem Verbrechen eines andern rechnet. Nein, wenn es sich um die Vorwegnahme unseres eigenen Verbrechens handelt. Und ganz besonders NEIN, wenn die Maßnahmen zur Milderung der Kriegsfolgen in sich selbst ebenfalls verbrecherisch sind.«
    Der Besucher zuckte die Achseln. »Wie zum Beispiel die Euthanasie? Es tut mir leid, Herr Abt, aber ich bin der Ansicht, daß die Gesetze, die sich eine Gesellschaft gibt, festlegen, was ein Verbrechen ist und was nicht. Ich sehe, daß Sie damit nicht übereinstimmen. Und natürlich kann es schlechte Gesetze geben, unrichtige, sicher. Aber in diesem Fall, glaube ich, haben wir ein gutes Gesetz. Wenn ich allerdings glaubte, daß ich so was wie eine Seele hätte und daß es einen zornigen Gott im Himmel gibt, dann würde ich vielleicht mit Ihnen einer Meinung sein.«
    Abt Zerchi lächelte dünn. »Sie haben nicht eine Seele, Doktor, Sie sind eine Seele. Sie haben einen Körper, eine Zeitlang.«
    Der Besucher lachte. »Eine kleine semantische Verwirrung.«
    »Sicher. Aber wer von uns beiden ist verwirrt? Sind Sie da ganz sicher?«
    »Lassen Sie uns doch nicht streiten, Herr Abt. Ich gehöre nicht zu den Erlösungs-Kadern, ich arbeite im Strahlungsschäden-Überwachungsdienst. Wir töten niemand.«
    Abt Zerchi betrachtete ihn eine Weile schweigend. Sein Besucher war ein kleiner muskulöser Mann mit einem freundlichen runden Gesicht unter einer beginnenden Glatze, die sonnenverbrannt und fleckig war. Er trug eine grüne Sergeuniform, eine Mütze mit dem Emblem des Grünen Sterns lag in seinem Schoß.
    Ja, warum überhaupt streiten? Der Mann war ein Arzt, nicht ein Henker. Manches an der Arbeit der Grünstern-Hilfstruppen war bewundernswert. Manchmal war sie sogar heldenhaft. Daß sie in manchen Bereichen Übles anrichteten, wie er, Zerchi, glaubte, war noch kein Grund, die guten Werke als befleckt anzusehen. Die Mehrzahl der Bevölkerung war dafür, und die Leute vom Grünstern genossen hohes Ansehen. Der Doktor hatte versucht, freundlich zu sein. Seine Bitte schien einfach genug. Er war weder penetrant noch arrogant gewesen, als er sie gestellt hatte. Und dennoch zögerte der Abt, bevor er ja sagte.
    »Die – Arbeit, die sie hier tun wollen, wird sie lange dauern?«
    Der Arzt schüttelte den Kopf. »Zwei Tage höchstens, denke ich. Wir haben zwei fahrbare Einheiten. Wir können sie in Ihren Hof fahren, die beiden Anhänger zusammenkoppeln und sofort zu arbeiten beginnen. Wir werden die offensichtlichen Strahlungsschäden und die Verwundeten zuerst drannehmen. Wir behandeln nur die dringendsten Fälle. Unsere Aufgabe sind klinische Tests. Die kranken Testpersonen werden in einem Notlager behandelt.«
    »Und die kränksten bekommen etwas anderes in einem Erlösungslager?«
    Der Doktor runzelte die Stirn. »Nur wenn sie dahin gehen wollen. Kein

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