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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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Verstand«, sagte er schließlich.
    Cheroki öffnete den Mund, offenbar in der Absicht, der Sache nachzugehen, besann sich aber eines Besseren. »Ich verstehe. Und was war dann?«
    »Gedanken der Völlerei«, sagte Francis nach einer Weile.
    Der Priester seufzte auf. »Ich dachte, wir hätten das schon abgetan. Oder war das ein andermal?«
    »Gestern. Eine Eidechse, Vater. Sie war blau und gelb gestreift und hatte so herrliche Schenkel, so dick wie Euer Daumen und so drall, und ich mußte immer daran denken, daß sie wie Hühnchen schmecken würde, außen ganz braun und knusprig gebraten, und…«
    »Schon gut«, unterbrach ihn der Priester. Über sein altes Gesicht zog nur der Anflug eines Gefühlsumschwungs. Schließlich und endlich verbrachte der Junge eine Menge Zeit in der Sonne. »Hast du Gefallen an diesen Gedanken gefunden? Hast du dich bemüht, die Versuchung von dir zu weisen?«
    Francis wurde rot. »Ich… ich versuchte, sie zu fangen. Aber sie kam mir aus.«
    »Also nicht nur Gedanken, sondern auch Tat. Nur dies eine Mal?«
    »Doch, nur das eine Mal.«
    »Na schön, in Worten und Werken. Vorsätzliche Absicht, während der Fastenzeit Fleisch zu essen. Bitte geh jetzt auf die Einzelheiten so genau wie möglich ein. Ich dachte, du hättest dein Gewissen so genau wie möglich erforscht. Gibt es noch etwas?«
    »Ja, ziemlich viel.«
    Der Priester schrak auf. Er mußte noch einige Einsiedlerklausen besuchen. Der Ritt war lang und heiß, und seine Knie taten ihm weh. »Mach weiter, so rasch es eben geht«, seufzte er.
    »Ich war einmal unkeusch.«
    »In Gedanken, Worten oder Werken?«
    »Also, mir schien dieser Sukkubus, und sie…«
    »Sukkubus? Ach so – in der Nacht. Hast du geschlafen?«
    »Ja, aber…«
    »Warum beichtest du es dann?«
    »Weil hinterher…«
    »Hinterher? Als du aufgewacht warst?«
    »Ja. Ich mußte weiter an sie denken. Ich hatte sie wieder und wieder vor Augen.«
    »Na schön, begehrliche Gedanken, mit Vorsatz genossen. Tut es dir leid? – Was noch?«
    All das waren die üblichen Dinge, die man immer und immer wieder, von einem Postulanten nach dem anderen, einem Novizen nach dem anderen hörte. Vater Cheroki dachte, daß es sich für Bruder Francis wenigstens gehörte, seine Selbstbezichtigungen kurz und bündig und auf regelrechte Art hervorzustoßen, ohne dauerndes Stacheln und Anspornen. Ganz gleich, was Francis hervorbringen wollte, es schien ihm schwierig, die rechte Formulierung zu finden. Der Priester wartete.
    »Ich glaube, Vater, daß ich meiner Berufung teilhaftig geworden bin, aber…« Francis fuhr sich mit der Zunge über die gesprungenen Lippen und blickte starr einem Käfer nach.
    »Wirklich?« sagte Cheroki mit unbewegter Stimme.
    »Ich glaube schon – aber ist es eine Sünde, daß ich zuerst, als ich sie erhielt, fast nur Verachtung für die Handschrift übrig hatte? Ich meine…«
    Cheroki blinzelte. Handschrift? Berufung? Was sollte die Frage – er betrachtete einige Sekunden lang den ernsten Gesichtsausdruck des Novizen und runzelte dann die Stirne.
    »Bruder Alfred und du – habt ihr Zettel ausgetauscht?« fragte er in unheilvollem Ton.
    »Ach nein, Vater.«
    »Aber von wessen Handschrift sprichst du denn dann?«
    »Von der des seligen Leibowitz.«
    Cheroki schwieg, um nachzudenken. Gab es eigentlich in der Abtei, in der Sammlung alter Handschriften irgendwelche Urkunden, die vom Gründer des Ordens eigenhändig geschrieben worden waren? Gab es Originale? Nach kurzem Nachdenken mußte er die Frage bejahen. Einige Bruchstücke waren noch vorhanden, sorgsam hinter Schloß und Riegel verwahrt.
    »Wovon sprichst du? Ist irgendwas in der Abtei geschehen, bevor du hier heraus kamst?«
    »Nein, Vater, es ist hier an Ort und Stelle geschehen…«, er wies mit dem Kopf nach links, »dort hinter dem dritten Hügel, bei dem hohen Kaktus.«
    »Du sagst, in Verbindung mit deiner Berufung?«
    »Ja, schon, aber…«
    »Aber«, sagte Cheroki streng, »du wirst doch gewiß nicht im Ernst sagen wollen, daß du vom seligen Leibowitz – der jetzt schon, na, über sechshundert Jahre tot ist – eine handgeschriebene Einladung erhalten hast, deine heiligen Gelübde abzulegen? Und du, hm, fandest diese Handschrift jämmerlich? Verzeih, aber das ist der Eindruck, den deine Worte machten.«
    »Ja, so ungefähr schon, Vater.«
    Cheroki fing an zu stottern. Unruhig geworden zog Bruder Francis ein Stück Papier aus seinem Ärmel und übergab es dem Priester. Es war mit Flecken übersät

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