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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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müsse. Sie behaupteten, daß ein »Geschöpf ursprünglich schuldlos« sein könne, dadurch aber noch nicht mit übernatürlichen Kräften versehen sein müsse. Die Dominikaner fügten sich dem, verfochten aber die Ansicht, daß andere Dogmen diesen Glauben implizite immer schon enthalten hätten. So zum Beispiel das Dogma der leiblichen Himmelfahrt (übernatürliche Unsterblichkeit), das der Freiheit von jeder persönlichen Sünde (Hinweis auf übernatürliche Sündenlosigkeit) und weiteres mehr. Über dem Versuch, diesen Zwist zu beenden, hatte New Rome den Prozeß der Heiligsprechung des Leibowitz anscheinend auf die lange Bank geschoben.
    Bruder Francis war eingenickt, zufrieden mit einer kleinen Weihestätte für den Seligen und einem gelegentlichen Rinnsal von Pilgern. Als er aufwachte, war das Feuer bis auf einige glimmende Äste ausgegangen. Etwas schien nicht in Ordnung zu sein. War jemand in der Nähe? Er blinzelte in die alles verhüllende Dunkelheit. Hinter der rotglimmenden Feuerstelle hervor blinzelte der schwarze Wolf zurück.
    Der Novize schrie auf und suchte Deckung.
    Als er schlotternd in seiner Höhle aus Stein und Buschwerk lag, beschloß er, daß der Schrei das Schweigegebot lediglich unabsichtlich verletzt hatte. Im Liegen umklammerte er die Metallschachtel und betete, die Tage der Fastenzeit möchten rasch vorbeigehen. Draußen schabten weiche Pfoten über seinen Mauerbau hin.

3
     
    »… und dann, Vater, hätte ich beinah Brot und Käse genommen.«
    »Nein.«
    »Aber du hast es nicht getan?«
    »So hast du auch nicht in Werken gesündigt.«
    »Aber ich war so verrückt darauf, daß ich den Geschmack im Mund spürte.«
    »Vorsätzlich? Hast du die Vorstellung willentlich genossen?«
    »Nein.«
    »Hast du versucht, davon loszukommen?«
    »Ja.«
    »Dann handelt es sich da auch nicht um sündhafte Völlerei in Gedanken. Warum beichtest du mir das?«
    »Weil ich dann meine Fassung verlor und ihn mit Weihwasser bespritzte.«
    »Was war? Wieso?«
    Die Stola umgelegt, starrte Vater Cheroki sein Beichtkind an, das seitlich vor ihm im sengenden Sonnenlicht der offenen Wüste kniete. Der Priester fragte sich, wie es so einem Burschen (nicht besonders intelligent, soweit er das beurteilen konnte) gelang, ganz allein auf sich gestellt in der kargen Wüste Gelegenheiten oder Beinahegelegenheiten zur Sünde zu finden, weit entfernt von jeder Zerstreuung oder offenbaren Wurzeln der Sünde. Die Schwierigkeiten, in die ein Junge wie er, nur mit Rosenkranz, Feuerstein, Taschenmesser und Gebetbuch bewehrt, hier draußen kommen könnte, müßten eigentlich recht gering sein. Meinte jedenfalls Vater Cheroki. Diese Beichte jedoch dauerte schon ganz schön lange. Er hoffte, der Junge würde endlich fortfahren. Die Arthritis plagte ihn wieder, aber in Anwesenheit des heiligen Sakraments auf dem tragbaren Tisch, den er mit sich auf seinen Rundgang nahm, zog der Priester es vor, zu stehen oder mit dem Beichtkind zusammen auf den Knien zu liegen. Er hatte vor dem kleinen goldenen Kästchen mit den Hostien eine Kerze entzündet. Die Flamme war im Sonnenglanz nicht zu sehen, vielleicht war sie auch von einer Brise ausgeblasen worden.
    »Nun, der Exorzismus ist neuerdings auch ohne jede besondere höhere Einwilligung zulässig. Was also beichtest du – deine Wut?«
    »Ja, die auch.«
    »Wer hat dich in Wut gebracht? Der alte Mann – oder du dich selbst, weil du die Speise beinah genommen hast?«
    »Ich… ich bin mir nicht sicher.«
    »Also bitte, entschließ dich«, sagte Vater Cheroki ungeduldig, »bekenne dich schuldig, oder laß es bleiben.«
    »Ich bekenne mich schuldig.«
    »Wessen?« seufzte Cheroki.
    »Eines Mißbrauchs des Sakraments in einem Wutanfall.«
    »Mißbrauch? Du hattest keinen stichhaltigen Grund, die Anwesenheit des Teufels anzunehmen? Du bist einfach wütend geworden und hast ihn damit naß gemacht, so wie man jemand mit Tinte bespritzt?«
    Der Novize zögerte verwirrt, weil er den schneidenden Spott des Priesters spürte. Bruder Francis kam die Beichte immer schwierig vor. Er konnte nie die richtigen Ausdrücke für seine Missetaten finden, wurde hoffnungslos verwirrt, während er versuchte, sich an seine Beweggründe zu erinnern. Der Priester war auch nicht gerade eine Hilfe, mit seiner Haltung des »Entweder hast du es getan, oder du hast es nicht getan«, obgleich Francis es offenkundig entweder getan oder eben nicht getan hatte.
    »Ich glaube, ich verlor für einige Augenblicke meinen

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