Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
Vom Netzwerk:
die Schachtel auf und machte sich auf den Weg zur Abtei, während Fingo zu seinen Eseln ging. Nach wenigen Schritten hielt der Novize an und rief zurück.
    »Bruder Fleck, hättest du zwei Minuten Zeit für mich?«
    »Vielleicht«, antwortete Fingo, »wozu?«
    »Geh doch bitte hinüber und schau dir das Loch an.«
    »Wieso?«
    »Dann kannst du Vater Cheroki erzählen, daß es wirklich da ist.«
    Fingo schob ein Bein halb über den Rücken seines Esels. »Ha!« Er zog das Bein zurück. »Na gut! Aber wenn es nicht da ist, kannst du was erleben!«
    Francis blickte noch einen Augenblick hinüber, wie der schlaksige Fingo zwischen den Hügeln verschwand. Dann nahm er wieder sein Schlurfen auf, den langen, staubigen Pfad hinunter zur Abtei. Ab und zu kaute er etwas von dem Mais, schlürfte er einige Tropfen aus dem Wasserschlauch. Gelegentlich blickte er sich um. Fingo war schon viel länger als zwei Minuten verschwunden. Er dachte schon nicht mehr daran, auf das Wiedererscheinen zu achten, als er hinter sich einen fernen Schrei aus den Ruinen hörte. Er drehte sich um. Auf der Spitze eines Hügels konnte er die ferne Gestalt des Holzschnitzers erkennen. Fingo winkte mit den Armen und nickte ihm heftig seine Bestätigung zu. Francis winkte zurück und wendete sich dann wieder matt seinem Weg zu.
    Zwei Wochen, halb verhungert verbracht, forderten ihren Tribut. Nach fünf, sechs Kilometern begann er zu taumeln. Noch gut zwei Kilometer von der Abtei entfernt fiel er ohnmächtig am Wegrand nieder. Es war schon später Nachmittag geworden, bevor Cheroki ihn auf der Rückkehr von seiner Rundreise da liegen sah. Hastig sprang er vom Pferd, benetzte das Gesicht des Burschen mit Wasser, bis er ihn langsam wieder auf die Beine gebracht hatte. Auf seinem Rückweg war er den Nachschubeseln begegnet und hatte sich Fingos Bericht angehört, der die Entdeckung von Bruder Francis bestätigte. Obgleich er nicht willens war, der Entdeckung des Novizen Francis irgendeine Bedeutung beizumessen, bereute der Priester doch, daß er vorhin nicht mehr Geduld mit dem Jungen gehabt hatte. Francis saß benommen und verwirrt am Wegrand, während Cheroki die Schachtel neben ihm mit ihrem halb über den Boden verstreuten Inhalt besah. Nachdem er auch den Zettel im Deckel flüchtig angesehen hatte, war er geneigt, das Gestammel des Jungen vielmehr als Ausfluß romantischer Einbildungskraft zu betrachten denn als Anzeichen von Verrücktheit oder Fieberwahn. Er hatte zwar weder die Gruft besichtigt noch den Inhalt der Schachtel genau geprüft, aber es war wenigstens offenkundig, daß der Junge eher tatsächliche Ereignisse falsch ausgelegt als Halluzinationen gebeichtet hatte.
    »Du darfst deine Beichte fortsetzen, sobald wir angekommen sind«, sagte er sanft zum Novizen, dem er hinter dem Sattel auf die Stute geholfen hatte. »Ich glaube, ich kann dir die Absolution erteilen, wenn du nicht darauf bestehst, persönliche Botschaften von dem Heiligen erhalten zu haben. Nun?«
    Für den Augenblick war Bruder Francis zu schwach, um auf irgend etwas zu bestehen.
     

4
     
    »Du hast richtig gehandelt«, knurrte der Abt schließlich. Vielleicht fünf Minuten lang war er in seiner Studierstube auf und ab geschritten, sein breites Bauerngesicht in dicke Zornesfalten gelegt. Vater Cheroki saß unruhig auf der Kante seines Stuhls. Keiner der beiden Priester hatte ein Wort gesprochen, seit Cheroki einer Aufforderung seines Vorstehers folgend das Zimmer betreten hatte. Cheroki schnellte in die Höhe, als Abt Arkos endlich die Worte hervorknurrte.
    »Du hast richtig gehandelt«, wiederholte der Abt, der in der Mitte des Zimmers stehengeblieben war und zu seinem Prior hinüberschielte, der anfing, sich zu beruhigen. Es ging schon auf Mitternacht, und Arkos hatte eigentlich schon Anstalten getroffen, sich vor Matutin und Laudes noch ein oder zwei Stunden schlafen zu legen. Er war noch feucht und zerzaust von einer eben erst beendeten Sitzung im Badezuber und kam Cheroki wie ein Wer-Bär vor, der sich nur unvollständig in einen Menschen zurückverwandelt hatte. Er trug einen Umhang aus Kojotenfell, und das einzige Abzeichen seines Ranges war das Brustkreuz, das versteckt im schwarzen Pelz auf seiner Brust immer dann von Kerzenlicht getroffen aufblitzte, wenn er sich dem Schreibtisch zuwandte. Nasses Haar hing ihm in die Stirn; mit seinem kurzen, abstehenden Bart und seinen Kojotepelzen sah er weniger einem Priester als einem kriegerischen Häuptling ähnlich, voll

Weitere Kostenlose Bücher