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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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dem seligen Leibowitz über den Kopf zog, bevor man ihn hängte. Und was als Gürtel? Ein Seil. Was für ein Seil? Aaa, genau das Seil…« Er schwieg und sah zu Cheroki hinüber. »Deinem verblüfften Gesicht sehe ich an, daß du das noch nicht gehört hast. Oder? Schon gut, du darfst nichts sagen. Nein, nein, Francis hat nichts dergleichen erzählt. Alles, was er sagte, war…« Abt Arkos bemühte sich, seinen gewöhnlichen Brummbaß etwas ins Falsett hinauf zustimmen: »Alles, was Bruder Francis sagte, war: ›Ich traf einen kleinen alten Mann, und ich dachte, er sei ein Pilger auf dem Weg zur Abtei, weil er in dieser Richtung ging. Er trug eine alte Sackleinwand, die von einem Stück Seil zusammengehalten wurde. Und er machte ein Zeichen auf den Felsen, und das Zeichen sah so aus.‹«
    Arkos zog ein Stück Pergament aus der Tasche seines Pelzumhangs und hielt es vor dem Gesicht Cherokis ins Kerzenlicht. Mit mäßigem Erfolg versuchte er immer noch, die Stimme von Bruder Francis nachzuahmen: »›Ich konnte nicht herauskriegen, was es bedeuten soll. Wißt Ihr es?‹«
    Cheroki sah auf die Zeichen und schüttelte den Kopf.
    »Dich frage ich nicht«, brummte Arkos mit gewöhnlicher Stimme. »Das hatte Francis gesagt. Ich hab es auch nicht gewußt.«
    »Wißt Ihr es jetzt?«
    »Jetzt ja. Jemand hat es nachgeschlagen. Das ist ein Lamed, und das ein Zade. Hebräische Buchstaben.«
    »Zade Lamed?«
    »Nein. Von rechts nach links. Lamed Zade. Ein Ell-und Tezetlaut. Mit Vokalzeichen könnte es ›Lutz, Lotz, Letz, Litz, Latz‹ heißen. Und wenn es noch mehr Buchstaben zwischen den beiden gäbe, könnte es klingen, wie LLLL – rate mal, wie.«
    »Leibo… aber nein!«
    »Aber ja! Bruder Francis hat sich das nicht ausgedacht, aber jemand anders. Bruder Francis hat nicht an die Kapuze aus Leinwand und an das Henkersseil gedacht: einer seiner Kameraden war so schlau. Was wird also geschehen? Heute nacht noch wird die ganze saubere Geschichte das Noviziat wie ein Lauffeuer durcheilen, daß Francis da draußen den Seligen höchstpersönlich getroffen hat, daß der Selige unseren Jungen dorthin geleitet hat, wo dieses Zeugs war, und ihm mitteilte, er wäre berufen.«
    Ein Stirnrunzeln der Verblüffung erschien auf dem Gesicht Cherokis. »Hat Bruder Francis das erzählt?«
    »Nein!« donnerte Arkos. »Hast du mir nicht zugehört? Francis hat nichts dergleichen erzählt. Verflixt noch mal, ich wollte, er hätte es! Dann hätte ich den Schlingel! Aber er erzählt alles so lieb und treuherzig, eigentlich sogar dümmlich, und läßt die anderen daraus ihre Schlüsse ziehen. Ich habe noch nicht mit ihm gesprochen. Ich schickte den Vorsteher der Denkwürdigkeiten, um seine Geschichte herauszubekommen.«
    »Ich glaube, ich rede besser mit Bruder Francis«, murmelte Cheroki.
    »Auf jeden Fall! Als du vorhin hereinkamst, hatte ich mich noch nicht entschieden, ob ich dich lebendig braten sollte oder nicht. Ich meine dafür, daß du ihn hierher geschickt hast. Wenn du ihn draußen in der Wüste gelassen hättest, würden wir jetzt nicht mit diesem fantastischen Gewäsch geplagt werden. Aber andrerseits, wenn er draußen geblieben wäre, wer weiß, was er dann noch alles aus jenem Keller hervorgezogen hätte. Ich glaube, es war richtig von dir, ihn herzuschicken.«
    Cheroki, der die Entscheidung aus ganz anderen Beweggründen getroffen hatte, hielt es für das beste, zu schweigen.
    »Schau nach ihm«, brummte der Abt, »und dann schick ihn zu mir.«
     
     
    Es war gegen neun Uhr an einem hellen Montagmorgen, als Bruder Francis furchtsam gegen die Tür der Studierstube des Abtes klopfte. Ungestörte Nachtruhe auf dem Strohsack in seiner alten, gewohnten Zelle, nebst einem kleinen Bissen eines ungewohnten Frühstücks hatten vielleicht nicht gerade Wunder auf sein ausgehungertes Fleisch gewirkt oder die Folgen eines Sonnenstichs ganz aus seinem Kopf vertrieben, aber dieses vergleichsweise wohlige Leben hatte ihn wenigstens soweit zu Verstand kommen lassen, mühelos einzusehen, daß er Grund hatte, sich zu fürchten. Im Grunde war er starr vor Schreck, so daß das erste Klopfen an die Tür des Abts viel zu leise ausfiel. Nicht einmal Francis selbst hatte es gehört. Nach einigen Minuten nahm er seinen Mut zusammen und klopfte noch einmal.
    »Benedicamus Domino.«
    »Deo gratias?« fragte Francis zurück.
    »Komm herein, mein Junge, komm herein!« rief eine leutselige Stimme, die er nach ein paar Sekunden der Verwirrung erstaunt als die

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