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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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fernen Apsiden widerzuhallen.
    Terribilis est locus iste: hic domus Dei est, et porta caeli; schrecklich in der Tat, Haus Gottes, Pforte des Himmels!
    Er bemerkte nach einiger Zeit, daß manche der Standbilder belebt waren. Einige Meter zu seiner Linken stand ein Harnisch vor der Wand. Seine gepanzerte Faust hielt den Schaft einer schimmernden Streitaxt umklammert. Während der Zeit, die Francis da gekniet hatte, hatte sich nicht einmal die Feder auf dem Helm bewegt. Ein Dutzend gleicher Harnische standen in Abständen die Wand entlang. Erst nachdem er gesehen hatte, wie eine Bremse durch das Visier der »Statue« gekrochen war, vermutete er einen Bewohner in der kriegerischen Hülle. Sein Auge konnte keine Bewegung ausmachen, doch gingen vom Harnisch einige metallische Quietschlaute aus, während er die Bremse beherbergte. Demnach mußte es sich um die päpstliche Garde handeln, in ritterlichem Kampf so ruhmbedeckt: das kleine private Heer von Gottes Stellvertreter auf Erden.
    Ein Hauptmann der Garde begab sich bedächtig auf einen Rundgang zu seinen Leuten. Zum erstenmal bewegte sich das Standbild. Es hob sein Visier zum Gruß. Aufmerksam blieb der Hauptmann stehen, nahm sein Halstuch und fegte die Bremse von der Stirn des ausdruckslosen Gesichts im Innern des Helms, bevor er weiterschritt. Die Statue klappte ihr Visier herab und verfiel wieder in Unbeweglichkeit.
    Die würdige Festlichkeit der Basilika wurde nur für kurze Zeit durch eintretende Pilgerzüge in Unordnung gebracht. Die Züge waren schön in Reih und Glied geordnet und wurden geschickt an ihre Plätze geleitet, aber sie wirkten offenkundig fehl am Platze. Die meisten von ihnen schienen auf Zehenspitzen zu ihren Plätzen zu schleichen, ängstlich bedacht, so wenig Lärm und Bewegung wie möglich zu machen, im Gegensatz zu den Sampetrii und der neurömischen Geistlichkeit, von denen Lärm und Bewegung höchst ausdrucksvoll gestaltet wurden. Hier und da kam einer der Pilger ins Stolpern oder erstickte fast an einem Hustenanfall.
    Als die Wache verstärkt wurde, nahm die Basilika plötzlich kriegerisches Aussehen an. Ein weiterer Trupp gepanzerter Standbilder stampfte bis in den Altarraum vor, beugte das Knie und senkte die Hellebarden im Gruß vor dem Altar, bevor er sich auf Posten begab. Zwei aus dem Trupp stellten sich seitlich neben dem Thron des Papstes auf. Ein dritter fiel rechts vom Thron auf die Knie. Er blieb dort knien; das Schwert Sankt Peters lag auf seinen nach oben geöffneten Handflächen. Das ganze Schaugepränge erstarrte wieder. Nur manchmal fing eine Flamme der Altarkerzen flackernd zu tanzen an.
    Die weihevolle Stille wurde von plötzlichen Trompetenstößen durchbrochen.
    Die Stärke der Töne nahm zu, bis das dröhnende Tara, Ta-ra-ra den ganzen Körper durchdrang und den Ohren Schmerz bereitete. Ankündigen sollte die Stimme der Trompeten, nicht musizieren. Die ersten Töne lagen in der Mitte der Tonleiter, stiegen dann langsam in Tonhöhe, Fülle und Nachdruck an, bis es dem Mönch kalt den Rücken hinunterrieselte und bis überhaupt nichts mehr als das Schmettern der Tuben die Basilika zu füllen schien.
    Dann Totenstille, in die eine Tenorstimme einbrach:
     
    Erster Sänger: »Appropinquat agnis pastor et ovibus pascendis.«
    Zweiter Sänger: »Genua nunc flectantur amnia.«
    Erster Sänger: »Jussit olim Jesus Petrum pascere gregem Domini.«
    Zweiter Sänger: »Ecce Petrus Pontifex Maximus.«
    Erster Sänger: »Gaudeat igitur populus Christi et gratias agat Domino.«
    Zweiter Sänger: »Nam docebimur a Spiritu sancto.«
    Erster Sänger: »Alleluia, alleluia…«
     
    Die Menge erhob sich und fiel in einer langsamen Wellenbewegung aufs Knie, der Bewegung des Tragsessels folgend, der den zerbrechlich wirkenden Mann in Weiß trug. Er machte Zeichen des Segens zum Volk hin, während sich die goldene, schwarze, purpurne und rote Prozession auf den Thron zu bewegte. Der Atem stockte in der Kehle des kleinen Mönches aus einer fernen Abtei in der weiten Wüste. Es war unmöglich, alles was vorging zu sehen; so mächtig war die Flut der Musik, der Bewegungen, daß sie die Sinne betäubte und den Geist wohl oder übel dem, was da kommen sollte, entgegenriß.
    Die Zeremonie war kurz. Wäre sie länger gewesen, ihre Gewalt hätte das erträgliche Maß überschritten. Ein Monsignore, Malfreddo Aguerra, der Advocatus Dei selbst, wie Bruder Francis sah, näherte sich dem Thron und kniete nieder. Nach kurzem Schweigen stimmte er sein

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