Lobgesang auf Leibowitz
dem Esel saß. Der Räuber verließ sich, soweit Francis erkennen konnte, nur auf seine eigene Muskelkraft und ein Messer, das er aber gar nicht erst aus seinem Ledergürtel zog. Er winkte Francis zu sich her. Als der Mönch fünfzig Meter vor ihm anhielt, schoß eines der Papstkinder einen Pfeil ab. Das Geschoß bohrte sich knapp hinter dem Esel in den Pfad und ließ den Esel einen Satz nach vorn machen.
»Steig ab«, befahl der Räuber.
Der Esel blieb auf dem Weg stehen. Bruder Francis riß sich die Kapuze vom Kopf, um die Augenbinde zu zeigen. Zitternd streckte er seinen Finger nach ihr aus. Langsam fing er an, die Binde vom Auge zu ziehen.
Der Räuber warf seinen Kopf zurück und ließ ein Lachen los, das dem Rachen Satans alle Ehre gemacht hätte, dachte sich Francis. Der Mönch murmelte eine Beschwörung, aber der Räuber schien ungerührt.
»Euch lumpigen Schwarzröcken nimmt das seit Jahren schon niemand mehr ab«, sagte er. »Steig jetzt ab!«
Bruder Francis lächelte, zuckte mit den Achseln und stieg ohne weitere Widerrede ab. Der Räuber nahm den Esel in Augenschein, klopfte ihm die Flanken und prüfte Zähne und Hufe.
»Essen? Essen?« schrie eines der verhüllten Geschöpfe am Hang.
»Jetzt noch nicht«, brüllte der Räuber, »zu dürr!«
Francis war nicht ganz sicher, ob sie über den Esel sprachen.
»Einen schönen guten Tag wünsch ich Euch, Herr«, sagte mild der Mönch. »Nehmt meinen Esel nur. Laufen wird meiner Gesundheit guttun, glaube ich.« Er lächelte wieder und wollte weitergehen. Vor seinen Füßen fuhr ein Pfeil in den Pfad.
»Hört auf damit!« schrie der Räuber, dann sagte er zu Francis: »Zieh dich jetzt aus. Und zeig mal, was in der Rolle und in dem Packen da drin ist.«
Bruder Francis berührte seine Bettlerschale und führte eine Bewegung der Hilflosigkeit aus, was den Räuber nur wieder höhnisch lachen machte.
»Diesen Trick mit der milden Gabe habe ich schon mal gesehen«, sagte er. »Der letzte Kerl mit so einer Schale hatte ein halbes Heklo Gold in seinem Stiefel versteckt. Ausziehen!«
Bruder Francis, der keine Stiefel trug, zog zuversichtlich seine Sandalen aus, aber der Räuber wurde ungeduldig. Der Mönch öffnete sein Bündel, breitete den Inhalt aus und fing an, sich auszuziehen. Der Räuber durchwühlte seine Sachen, fand nichts und warf sie wieder ihrem Besitzer zu, der seinen Dank flüsterte. Er hatte gefürchtet, nackt auf dem Weg zurückgelassen zu werden.
»Zeig jetzt mal, was in dem anderen Packen drin ist.«
»Herr, er enthält nur Schriftstücke«, beteuerte der Mönch. »Sie sind für jeden außer dem Besitzer wertlos.«
»Mach auf!«
Schweigend öffnete Bruder Francis das Paket und wickelte die Originalblaupause und ihr illuminiertes Erinnerungsstück aus. Die Blattvergoldung und die bunte Zeichnung blitzten hell im Sonnenlicht auf, das durch das Blattwerk des Waldes drang. Die plumpen Kinnbacken des Räubers fielen Zentimeter herab. Er stieß einen leisen Pfiff aus.
»Was für ein Prachtstück! Die Frau würde das sicher gern an ihrer Hüttenwand haben.«
Francis fühlte in sich eine Ohnmacht aufsteigen.
»Gold!« schrie der Räuber zu seinen verhüllten Gefährten auf dem Hügel hinauf.
»Essen? Essen?« kam es gurgelnd und prustend zurück.
»Keine Angst, wir werden schon was zu essen finden!« rief der Räuber, dann wandte er sich erklärend zu Bruder Francis: »Nach ein paar Tagen werden sie vom Herumsitzen hungrig. Das Geschäft geht schlecht. Wenig Verkehr neuerdings.«
Francis nickte. Der Räuber versank wieder in Bewunderung der illuminierten Abschrift.
Herr, solltest Du ihn mir zur Prüfung gesandt haben, so hilf mir, wie ein Mann zu sterben, damit sie nur über die Leiche Deines Dieners in seine Hand fällt. Heiliger Leibowitz, sieh, was hier geschieht, und bitte für mich…
»Was ist das?« fragte der Räuber. »Ein Talisman?« Eine Zeitlang hielt er beide Schriftstücke nebeneinander. »Ah! Eins ist der Geist vom andern. Was für ein Zauber ist das?« Mit argwöhnischen grauen Augen starrte er Francis an. »Wie heißt der Zauber?«
»Äh – transistorisiertes Kontrollsystem für Einzelteil sechs b«, stotterte der Mönch.
Der Räuber, der die Schriftstücke verkehrtherum ansah, konnte dennoch erkennen, daß ein Diagramm das negative Abbild des anderen war – eine Tatsache, die ihn ebenso wie das Blattgold zu verblüffen schien. Mit kurzem, schmierigem Zeigefinger fuhr er den sich entsprechenden Linien der Pläne nach
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