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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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man Euch etwas für die wichtige Urkunde. Aber gib mir die andere, damit ich sie nur herzeigen kann. Sie ist sowieso bedeutungslos.«
    Der Räuber lachte über seine Schulter zurück: »Ich glaube, du würdest sogar ’nen Stiefel lecken, nur um sie zurückzukriegen.«
    Bruder Francis holte ihn ein und küßte mit Inbrunst seinen Stiefel. Das war selbst so einem Kerl wie dem Räuber zuviel. Er stieß den Mönch mit dem Fuß beiseite, nahm die beiden Urkunden auseinander und warf eine davon mit einem Fluch Francis ins Gesicht. Er bestieg den Esel des Mönchs und begann den Hang hinauf zum Hinterhalt zu reiten. Bruder Francis riß die kostbare Urkunde an sich und lief neben dem Räuber her, dankte ihm überschwenglich, segnete ihn wieder und wieder, während der Räuber den Esel auf die verhüllten Bogenschützen zutrieb.
    »Fünfzehn Jahre!« schnaubte der Räuber und stieß Francis wieder mit dem Fuß beiseite. »Hau ab!« Er schwenkte die illuminierte Pracht hoch durch die lichterfüllte Luft. »Denk dran, zwei Heklos Gold werden dein Erinnerungsstück auslösen. Und sag deinem Papst, daß ich es ohne faule Tricks gewonnen habe.«
    Francis hielt mit dem Klettern inne. Glutvoll schlug er ein Kreuz des Segens für den sich entfernenden Räuber und dankte leise Gott, daß es so selbstlose Räuber gab, die unwissentlich solch einen Mißgriff tun konnten. Voll Freude streichelte er die Originalblaupause, während er den Pfad hinab weiter wanderte. Voll Stolz breitete der Räuber das herrliche Erinnerungsstück vor seinen mißgestalteten Gefährten auf dem Hügel aus.
    »Essen! Essen!« sagte einer von ihnen und streichelte den Esel.
    »Reiten, reiten«, verbesserte der Räuber, »später essen.«
     
     
    Aber als Bruder Francis sich schon weit von ihnen entfernt hatte, überkam ihn allmählich tiefe Traurigkeit. Die spöttische Stimme gellte ihm noch in den Ohren. Fünfzehn Jahre! So was macht ihr also da draußen! Fünfzehn Jahre! Reinste Weiberarbeit. Hahaha…
    Der Räuber hatte einen Fehler gemacht. Doch die fünfzehn Jahre waren auf jeden Fall dahin, und mit ihnen all die Liebe und all die Pein, die in das Erinnerungsstück eingeflossen waren.
    Im Kloster eingeschlossen, hatte Francis die Regeln der Welt draußen verlernt, hatte er rauhe Sitten und rohes Verhalten vergessen. Der Hohn des Räubers drückte ihm schier das Herz ab. Er erinnerte sich an früher, an den höflicheren Spott von Bruder Jeris. Vielleicht hatte Bruder Jeris recht gehabt.
    Er wanderte langsam weiter, ließ seinen Kopf unter der Kapuze tief hängen.
    Er hatte wenigstens noch das Originalstück, zum wenigsten.
     

11
     
    Die Stunde war angebrochen. In seiner einfachen Mönchstracht hatte sich Bruder Francis niemals unbedeutender gefühlt als in dem Augenblick, da er vor Beginn der Zeremonie in der erhabenen Basilika kniete. Die würdevollen Bewegungen, die leuchtenden Farbwirbel und die Klänge, die die feierlichen Vorbereitungen der Feierlichkeiten begleiteten, schienen schon von liturgischem Geist getragen und machten es einem schwer, sich vor Augen zu halten, daß noch nichts Wichtiges geschah. Bischöfe, Monsignori, Kardinäle, Priester und verschiedene Laien der Palastehrengarde in vornehmer, altmodischer Gewandung bewegten sich in der großen Kirche hin und her, aber ihr Kommen und Gehen war ein anmutiges Uhrwerk, das niemals zum Stillstand kam, stockte oder seinen Lauf änderte, um in der entgegengesetzten Richtung loszuschnurren. Ein Sampetrius betrat die Basilika. Er war so prächtig gekleidet, daß Francis den Kirchendiener für einen Prälaten hielt. Der Sampetrius trug einen Fußschemel. Er trug ihn mit so lässiger Prachtentfaltung, daß der Mönch, hätte er nicht schon gekniet, vor dem vorbeischwebenden Gegenstand fast das Knie gebeugt hätte. Der Sampetrius ließ sich vor dem Hochaltar auf ein Knie nieder, querte dann hinüber zum Thron des Papstes, wo er den neuen Schemel an die Stelle eines anderen setzte, der ein lockeres Bein zu haben schien. Daraufhin schritt er denselben Weg zurück, den er gekommen war. Bruder Francis bestaunte die durchdachte Anmut der Bewegungen, die selbst das Belanglose begleitete. Niemand war in Eile. Niemand benahm sich affektiert oder etwa linkisch. Es gab keine Bewegung, die nicht einen stillen Beitrag zur Würde und überwältigenden Schönheit dieser alten Stätte leistete, so wie selbst die unbeweglichen Statuen und Gemälde mitwirkten. Selbst das Seufzen des eigenen Atmens schien schwach aus

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