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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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Schädel, der im Lampenlicht azurblau aufleuchtete. Zweifelsohne von Geburt an mißgebildet.
    »Dichter?« sagte er fragend, leise, blickte der Ziege dabei fest ins Auge und berührte sein Brustkreuz.
    »Hier herein«, kam es mit schwacher Stimme aus dem vierten Zimmer.
    Erleichtert seufzte Dom Paulo. Die Ziege kaute weiter an ihren Blättern. War ihm jetzt doch ein wirklich widerwärtiger Gedanke durch den Kopf geschossen!
    Der Dichter lag quer über das Bett ausgestreckt, so daß er eine Flasche Wein leicht erreichen konnte. Das eine gesunde Auge blickte verstört ins Licht. »Ich hatte geschlafen«, klagte er und rückte mit einer Hand seine schwarze Augenbinde zurecht, mit der anderen griff er sich die Weinflasche.
    »Dann wacht bitte auf. Ihr zieht hier sofort aus. Noch heute nacht. Schmeißt Eure Sachen auf den Flur, damit die Zimmer gelüftet werden können. Wenn Ihr unbedingt schlafen müßt, dann legt Euch unten in die Zelle des Stallburschen. Am Morgen kommt dann wieder her und scheuert diese Zimmer aus.«
    Einen Augenblick lang lag der Poet wie ein begossener Pudel da, dann faßte er unter die Bettdecke und packte etwas. Er brachte die geschlossene Faust hervor und starrte sie nachdenklich an. »Wer hat diese Gemächer zuletzt bewohnt?« fragte er.
    »Monsignore Longi, wieso?«
    »Ich wollte nur wissen, wer die Wanzen mitgebracht hat.« Der Dichter öffnete seine Faust, hob mit spitzen Fingern etwas von der Handfläche, zerdrückte es zwischen den Nägeln und schnippte es fort. »Thon Taddeo soll mit ihnen glücklich werden. Mir reicht’s. Seit der Zeit meines Einzugs bin ich von ihnen lebendigen Leibes aufgefressen worden. Ich war drauf und dran, abzureisen, aber da Ihr mir meine alte Zelle wieder angeboten habt, werde ich mich glücklich schätzen…«
    »Ich wollte damit nicht…«
    »… Eure großzügige Gastfreundschaft noch ein bißchen in Anspruch nehmen zu dürfen. Natürlich nur, bis mein Buch vollendet sein wird.«
    »Welches Buch? Nun gut. Laßt aber zuerst Eure Sachen hier verschwinden.«
    »Jetzt gleich?«
    »Sofort!«
    »Gut. Ich glaube, ich hätte es sowieso nicht noch eine Nacht bei diesen Wanzen ausgehalten.« Der Dichter wälzte sich aus dem Bett, packte die Flasche und trank.
    »Gebt mir den Wein«, befahl der Abt.
    »O bitte, bedient Euch. Ein milder Jahrgang.«
    »Besten Dank. Schließlich habt Ihr ihn aus unseren Kellern gestohlen. Übrigens handelt es sich um Meßwein. Ist Euch das nicht aufgefallen?«
    »Er war noch nicht konsekriert.«
    »Ich erstaune, daß Ihr daran gedacht habt.« Dom Paulo nahm die Flasche an sich.
    »Außerdem habe ich sie nicht gestohlen. Ich…«
    »Laßt Euch wegen des Weins keine grauen Haare wachsen. Wo habt Ihr die Ziege gestohlen?«
    »Ich habe sie nicht gestohlen«, sagte der Dichter düster.
    »Sie stand wie eine Geistererscheinung plötzlich vor Euch?«
    »Sie ist ein Geschenk, Reverendissime.«
    »Von wem?«
    »Einem lieben Freund, Domnissime.«
    »Wessen lieber Freund?«
    »Meiner, Herr.«
    »Da stimmt doch etwas nicht. Also wo habt Ihr…«
    »Benjamin, Herr.«
    Dom Paulo stand einen Augenblick überrascht. »Ihr habt sie dem alten Benjamin gestohlen?«
    Der Dichter zuckte bei dem Wort zusammen. »Nicht gestohlen, bitte.«
    »Dann also was?«
    »Benjamin bestand darauf, daß ich sie als Geschenk annehme für ein Sonett, das ich ihm zu Ehren verfaßt hatte.«
    »Heraus mit der Wahrheit!«
    Meister Dichter schluckte kleinlaut. »Ich habe sie ihm beim Schussern abgewonnen.«
    »Ich verstehe.«
    »Es ist wahr! Der alte Schelm hatte mich bis auf den letzten Pfennig ausgenommen und wollte mir dann nichts pumpen. Ich war gezwungen, mein Glasauge gegen die Ziege zu setzen. Aber ich habe alles zurückgewonnen.«
    »Sie zieht aus dem Kloster aus, die Ziege!«
    »Aber sie gehört zu einer ganz besonderen Rasse von Ziegen. Die Milch riecht ganz überirdisch und schmeckt so würzig. Sie ist der eigentliche Grund für das lange Leben des uralten Juden.«
    »Für wie viele Jahre?«
    »Für die ganzen vierundfünfzighundert und acht Jahre!«
    »Ich dachte immer, er wäre nur zweiunddreißighundertund…« Dom Paulo schwieg verächtlich. »Was habt Ihr drüben in der Mesa der Letzten Zuflucht gemacht?«
    »Mit dem alten Benjamin Schusser gespielt.«
    »Also wirklich, ich…« Der Abt richtete sich auf. »Nun gut. Zieht jetzt wenigstens aus. Und bringt morgen Benjamin die Ziege zurück.«
    »Ich habe sie aber ehrlich gewonnen.«
    »Wir wollen uns nicht streiten.

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