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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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Tür. Kornhoer verrückt Einrichtungsgegenstände, um sich Platz für Apparaturen zu verschaffen. Armbruster schreit: ›Inferno!‹, Bruder Kornhoer brüllt: ›Fortschritt!‹, und sie gehen wieder aufeinander los. Dann kommen sie wutentbrannt zu mir und rufen mich zum Schiedsrichter. Ich tadle sie, weil sie ihre Beherrschung verloren haben. Sie blicken dann voll Unschuld drein und geben sich zehn Minuten lang die schmeichelhaftesten Worte. Sechs Stunden später erzittert der Fußboden von Bruder Armbrusters Inferno-Geschrei unten in der Bibliothek. Ich kann die Zornesausbrüche beschwichtigen, aber es scheint sich um eine grundsätzliche Meinungsverschiedenheit zu handeln.«
    »Ich würde sagen, um einen grundsätzlichen Verstoß gegen gutes Betragen. Was meinst du, soll ich mit ihnen anfangen? Sie vom gemeinsamen Essen ausschließen?«
    »Noch nicht, aber Ihr könntet sie warnen.«
    »Nun gut, ich werde sie zur Rede stellen. Ist das alles?«
    »Alles, Herr.« Er wollte gehen, hielt aber wieder inne. »Ach, übrigens, glaubt Ihr, daß Bruder Kornhoers komischer Apparat funktionieren wird?«
    »Ich hoffe es nicht«, schnaubte der Abt.
    Pater Gault schien überrascht. »Aber warum habt Ihr dann…«
    »Weil ich zunächst neugierig war. Das Unternehmen hat aber inzwischen so viel Staub aufgewirbelt, daß es mir leid tut, daß ich ihn beginnen ließ.«
    »Warum haltet Ihr ihn nicht auf?«
    »Weil ich hoffe, daß er sich auch ohne meine Hilfe der Lächerlichkeit preisgeben wird. Sollte die Sache schiefgehen, so ist die Ankunft Thon Taddeos gerade der rechte Augenblick für das Mißlingen. Das wäre recht die angemessene Art von Demütigung für Bruder Kornhoer – um ihn an seine Berufung zu erinnern, bevor er noch anfängt zu glauben, er sei hauptsächlich zur Religion berufen, um in den Kellergewölben des Klosters einen Erzeuger elektrischer Wesenheiten zu bauen.«
    »Aber, Vater Abt, Ihr müßt zugeben, daß es im Falle des Gelingens eine großartige Leistung wäre.«
    »Ich muß gar nichts zugeben«, sagte Dom Paulo barsch zu ihm. Als Gault gegangen war, entschloß sich der Abt nach kurzem Streitgespräch mit sich selbst, zuerst das Problem mit Meister Dichter anzugehen, bevor er sich auf die Angelegenheit hier Inferno, hier Fortschritt einließe. Die einfachste Lösung des Problems mit dem Dichter wäre, der Dichter verschwände aus den königlichen Räumen und am besten gleich auch aus dem Kloster, aus der Umgebung des Klosters, begäbe sich aus Seh-und Hörweite, aus den Augen, aus dem Sinn. Aber Meister Dichter mit einer »einfachen« Lösung loszuwerden, nein, damit war nicht zu rechnen!
    Der Abt verließ die Mauer und ging über den Hof auf den Gästebau zu. Er tastete sich vorwärts, da die Gebäude im Sternenlicht schwarze Massen aus Schatten waren und nur wenige Fenster von mattem Kerzenlicht glühten. Die Fenster der königlichen Räume waren finster. Aber der Dichter lebte in ausgefallener Tageseinteilung und mochte wohl zu Hause sein.
    Im Innern des Gebäudes tappte er nach der richtigen Tür, fand sie und klopfte an. Eine Antwort erfolgte nicht sogleich. Er hörte nur einen schwachen, blökenden Ton, der aus den Räumen gekommen sein konnte oder auch nicht. Er klopfte wieder, dann drückte er die Klinke. Sie gab nach.
    In der Dunkelheit glimmte das schwache rote Licht eines Holzkohlebeckens. Das Zimmer roch nach abgestandenem Essen.
    »Dichter?«
    Wieder das schwache Blöken, doch diesmal näher. Er ging zum Kohlebecken, stocherte nach einem weißglühenden Kohlestück und entzündete einen Kienspan. Er blickte sich um und zuckte vor der Unordnung im Zimmer zusammen. Niemand war da. Er zündete mit der Flamme eine Öllampe an und machte sich auf, den Rest der Räumlichkeiten zu durchsuchen. Man würde sie gründlich scheuern und räuchern (und vielleicht sogar böse Geister austreiben) müssen, bevor Thon Taddeo einzog. Er hoffte, daß er Meister Dichter zum Scheuern würde anstellen können, wußte aber, daß da nur geringe Aussicht bestand.
    Im zweiten Zimmer hatte Dom Paulo plötzlich das Gefühl, beobachtet zu werden. Er stand ganz still und sah sich langsam um.
    Ein einsames Auge schaute ihn aus einem Glas Wasser heraus vom Regal her an. Der Abt nickte ihm zwanglos zu und ging weiter.
    Im dritten Zimmer traf er auf die Ziege. Ihr erstes Zusammentreffen. Die Ziege stand oben auf einer riesigen Vitrine und kaute an Kohlblättern. Sie sah wie eine der kleinen Bergziegen aus, hatte aber einen kahlen

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