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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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Ehren erlangt. Aber sein Sieg war wertlos, denn er war Hannegan gleichgültig. Thon Taddeo hatte gelernt, den ganzen Hof von Texarkana zu verachten, aber in jugendlicher Inkonsequenz war er bereitwillig an ebendenselben Hof zurückgekehrt, um endlich als seines Vaters Sohn rechtmäßig anerkannt zu werden. Er schien jedermann zu verzeihen, ausgenommen der heimgegangenen Herzogin, die ihn verstoßen hatte, und den Mönchen, die ihn in der Verbannung versorgt hatten.
    Vielleicht hält er unser Kloster für einen Ort gräßlicher Gefangenschaft, dachte der Abt. Hier würden schlimme Erinnerungen hochsteigen, verdrängte Erinnerungen und wahrscheinlich ein paar eingebildete Erinnerungen.
    ›… der Garten der Neuen Gelehrsamkeit enthält schon die Keime künftiger Konflikte‹, fuhr der Vorleser fort, ›sieh Dich also vor und erkenne die Zeichen!
    Doch andrerseits bestehen nicht nur Seine Herrlichkeit, sondern auch das Gebot der Nächstenliebe und der Gerechtigkeit darauf, daß ich ihn Dir als wohlgesonnenen Mann empfehle oder wenigstens als argloses Kind, wie die meisten dieser gebildeten und ritterlichen Heiden (denn als Heiden werden sie sich trotz allem erweisen). Er wird sich gut betragen, wenn Du Dich ihm gegenüber fest zeigst. Sei aber vorsichtig, mein Freund. Sein Geist ist gespannt wie eine Muskete, die in jede nur denkbare Richtung losgehen kann. Dennoch bin ich sicher, daß eine Zeitlang es mit ihm aufnehmen zu müssen keine allzu anstrengende Aufgabe für Deine Klugheit und Gastlichkeit sein wird.
    Quidam mihi calix nuper expletur, Paule. Precamini ergo Deum facere me fortiorem. Metuo ut hic pereat. Spero te et fratres saepius oraturos esse pro tremescente Marco Apolline. Valete in Christo, amici. Texarkanae, datum est Octavà Ss Petri et Pauli, Anno Domini termillesimo…‹
     
     
    »Zeig mir noch mal das Siegel«, sagte der Abt.
    Der Mönch reichte ihm die Rolle. Dom Paulo hielt sie sich dicht vor die Augen, um angestrengt die verwischten Buchstaben anzuschauen, die durch einen schlecht eingefärbten Holzstempel unten auf das Pergament gedruckt worden waren:
     
    VON HANNEGAN II. GEBILLIGT,
    VON GOTTES GNADEN BÜRGERMEISTER.
    BEHERRSCHER VON TEXARKANA, VERTEIDIGER DES GLAUBENS, UND HÖCHSTER VAQUERO DER EBENEN.
    GEZEICHNET: X
     
    »Ich frage mich, ob Seine Herrlichkeit sich diesen Brief später von jemand vorlesen ließ«, sorgte sich der Abt.
    »Herr, hätte man dann den Brief gesendet?«
    »Vermutlich nicht. Aber dieser Leichtsinn vor den Augen Hannegans, nur um seiner Ungebildetheit eins auszuwischen, das sieht mir nicht nach Marcus Apollo aus; es sei denn, er hätte versucht, mir zwischen den Zeilen etwas mitzuteilen – und hätte durchaus auf kein sichereres Mittel sinnen können, es zu sagen. Dieser letzte Abschnitt – über einen gewissen Kelch, von dem er fürchtet, daß er nicht vorübergehen werde. Es ist klar, daß er sich Sorgen über etwas macht, aber worüber? Das sieht Marcus nicht ähnlich, das sieht ihm überhaupt nicht ähnlich.«
    Einige Wochen waren seit der Ankunft des Briefes vergangen. Während dieser Wochen hatte Dom Paulo unruhig geschlafen, unter dem Wiederaufflackern eines alten Magenleidens gelitten, der Vergangenheit zu sehr nachgegrübelt, als suche er nach etwas, das anders hätte gemacht werden müssen, um eine gewisse Zukunft abzuwenden. Welche Zukunft? verlangte er von sich zu wissen. Es schien keinen vernünftigen Grund zu geben, Schwierigkeiten vorherzusehen. Der Streit zwischen Dorfbewohnern und Mönchen war nahezu beigelegt. Im Norden und Osten gab es unter den Hirtenvölkern keine Anzeichen von Aufruhr. Das kaiserliche Denver verfolgte seine Anstalten nicht weiter, Steuern von klösterlichen Gemeinschaften zu erheben. Es hielten sich keine Truppen in der Nähe auf. Die Oase versorgte sie immer noch mit Wasser. Mensch und Tier schienen gegenwärtig von keiner Seuche bedroht. Der Mais stand dieses Jahr gut auf den bewässerten Feldern. Es gab Anzeichen von Fortschritt auf der Welt, und das Dorf Sanly Bowitts hatte die unglaubliche Quote von acht Prozent Leuten, die lesen und schreiben konnten. Dafür hätten die Dorfbewohner den Mönchen des Ordens des Leibowitz Dank sagen können, sie taten es aber nicht.
    Und trotzdem suchten ihn bange Ahnungen heim. Etwas Namenloses schwebte drohend über der Welt, um sich mit dem ersten Hahnenschrei auf sie zu stürzen. Diese Überzeugung hatte ihn gemartert, war so quälend wie ein Schwarm gefräßiger Insekten, die einem

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