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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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wußten, daß die Waffen, die sie erhielten, Hannegans Geschenk waren und nicht wirklich die Beute aus Grenzkämpfen, dann würde die Möglichkeit bestehen, daß die Laredanier den Plan von Gefangenen erführen, die ihnen bei Grenzstreitigkeiten in die Hände fielen. Deshalb war es unumgänglich, die Stämme weiter über die Schande murren zu lassen, Friedensgespräche mit den Bauern im Osten zu führen.
    Doch die Gespräche drehten sich nicht um den Frieden. Die Gespräche waren gut, und sie verhießen Beute.
    Vor einigen Wochen hatte der Wilde Bär selbst ein »kriegerisches Unternehmen« gegen den Osten geleitet und war mit hundert Stück Pferden, vier Dutzend langläufigen Flinten, einigen Fässern Schwarzpulver, reichlich Munition und einem Gefangenen zurückgekehrt. Aber nicht einmal die Krieger, die ihn begleitet hatten, wußten, daß das versteckte Waffenlager dort für ihn von Hannegans Leuten angelegt worden war und daß der Gefangene in Wirklichkeit ein texarkanischer Reiteroffizier war, der in Zukunft dem Wilden Bären bei der Beurteilung laredanischer Taktik in kommenden Kämpfen zur Seite stehen würde. Alles Denken der Grasesser war schändlich, aber das Denken des Offiziers konnte dem der südlichen Grasesser auf den Grund gehen. Dem vom Hongan Os würde es nicht auf die Schliche kommen.
    Der Wilde Bär war zu Recht auf sich als Unterhändler stolz. Er hatte keinerlei Zusagen gemacht, außer, daß er davon absehen würde, Texarkana mit Krieg zu überziehen und an den östlichen Grenzen kein Vieh mehr zu stehlen, doch nur so lang, als Hannegan ihn mit Waffen und Nachschub belieferte. Das Abkommen über den Krieg gegen Laredo war wortloses Einverständnis über dem Feuer, aber entsprach den ursprünglichen Absichten des Wilden Bären, und ein offizieller Vertrag war nicht nötig. Ein Bündnis mit einem seiner Feinde würde es ihm erlauben, sich mit einem Gegner nach dem anderen auseinanderzusetzen, und schließlich könnte er die Weidegründe zurückgewinnen, die sich die Bauern während des vorigen Jahrhunderts angeeignet und besiedelt hatten.
    Die Nacht war hereingebrochen, als der Häuptling aller Sippen ins Lager einritt, und von den Ebenen her blies es kalt. Seine Gäste aus dem Osten saßen in ihre Decken gehüllt um das Ratsfeuer zusammen mit drei Alten, während die übliche Bande neugieriger Kinder aus umliegenden dunklen Ecken gaffte, unter Zelträndern hervor, auf die Fremden lugte. Im ganzen waren es zwölf Fremde, aber sie hatten sich in zwei deutlich voneinander getrennte Gruppen geteilt, die zwar zusammen gereist waren, aber sich augenscheinlich wenig aus gemeinschaftlichem Umgang machten. Der Anführer der einen Gruppe war offenbar ein Wahnsinniger. Obgleich der Wilde Bär nichts gegen Verrücktheit hatte (von seinen Schamanen wurde sie als kräftigster aller übernatürlichen Einflüsse sehr hoch geschätzt), hatte er doch nicht gewußt, daß auch die Bauern Verrücktheit für Tugend bei einem Anführer ansahen.
    Dieser hier indessen brachte die Hälfte seiner Zeit damit zu, im Boden drunten beim ausgetrockneten Flußbett herumzuwühlen, und die andere Hälfte, geheimnisvolle Eintragungen in ein kleines Buch zu machen. Offenbar ein Hexenmeister; vermutlich durfte man ihm nicht trauen.
    Der Wilde Bär stand nur kurz still, um seine zeremoniellen Gewänder aus Wolfspelz anzulegen und sich von einem Schamanen das Totemzeichen auf die Stirn malen zu lassen, bevor er zu der Gruppe ans Feuer trat.
    »Fürchtet euch!« heulte feierlich ein alter Krieger, als der Anführer der Sippen in den Feuerschein trat. »Fürchtet euch, denn der Gewaltige geht unter seinen Kindern umher. Fallt nieder vor ihm, ihr Sippen, denn sein Name ist Wilder Bär – wohlverdient ist der Name, denn als Jüngling hat er unbewaffnet eine wild gewordene Bärin bezwungen, mit seinen bloßen Händen hat er sie erwürgt, wahrlich so geschehen in den Nordländern…«
    Hongan Os schenkte den Lobpreisungen keine Beachtung. Er nahm von der alten Frau, die das Ratsfeuer unterhielt, einen Becher mit Blut entgegen. Es war frisch von einem geschlachteten jungen Ochsen und noch warm. Er trank ihn aus, bevor er sich umdrehte, um den Ostleuten zuzunicken, die dem kurzen Umtrunk mit sichtlicher Unruhe zugesehen hatten.
    »Aaa!« rief der Anführer der Sippen.
    »Aaa!« antworteten die drei Alten zusammen mit einem Grasesser, der es gewagt hatte, sich dem Ruf anzuschließen. Einen Augenblick lang starrten die Leute ihn verärgert

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