Lobgesang auf Leibowitz
an.
Der Verrückte versuchte den Schnitzer seines Begleiters zu überspielen. »Sagt mir«, sprach der Verrückte, als sich der Häuptling gesetzt hatte, »wie kommt es, daß Euer Volk kein Wasser trinkt? Haben Eure Götter etwas dagegen?«
»Wer kann wissen, was die Götter trinken?« polterte der Wilde Bär. »Es heißt, daß Wasser für Vieh und Bauern ist, Milch für die Kinder und Blut für die Männer. Sollte es anders sein?«
Der Verrückte war nicht beleidigt. Er betrachtete den Anführer einen Moment mit seinen durchdringend grauen Augen und nickte dann einem seiner Genossen zu. »Das ›Wasser für das Vieh‹ erklärt alles«, sagte er. »Ein Hirtenvolk muß das bißchen Wasser, das es hier gibt, den Tieren vorbehalten. Ich hatte mich gefragt, ob sie das auch durch ein religiöses Tabu gesichert haben.«
Sein Begleiter verzog das Gesicht und sagte in texarkanischer Mundart: »Wasser! Ihr Götter! Warum dürfen wir kein Wasser trinken, Thon Taddeo? Man kann Anpassung auch zu weit treiben.« Er spuckte mit trockener Miene aus. »Blut! Pah! Verklebt einem den Schlund. Wieso können wir nicht einen kleinen Schluck…«
»Nicht bevor wir abgereist sind.«
»Aber, Thon…«
»Nein«, fuhr ihn der Gelehrte an. Dann, als er bemerkte, daß sie von den Stammesangehörigen finster angestarrt wurden, wandte er sich wieder in der Sprache der Ebenen an den Wilden Bären: »Mein Gefährte hier sprach über die Mannhaftigkeit und die Gesundheit Eures Volkes«, sagte er. »Vielleicht ist Eure Ernährungsweise dafür verantwortlich.«
»Ha!« bellte der Anführer, doch dann rief er der alten Frau beinahe heiter zu: »Gib dem Fremdling einen Becher Rotes!«
Thon Taddeos Genossen schauderte es; er erhob aber keinen Einspruch.
»O Häuptling, ich muß Eure Größe um eine Gefälligkeit ersuchen«, sagte der Gelehrte. »Morgen werden wir unsere Reise in den Westen fortsetzen. Es würde uns zu großer Ehre gereichen, wenn einige Eurer Krieger unsere Gruppe begleiten könnten.«
»Wozu?«
Thon Taddeo schwieg. Dann sagte er: »Wozu? Nun, als Führer…« Er hielt inne und lächelte plötzlich: »Nein. Ich will ganz ehrlich sein. Einige Eurer Leute mißbilligen unsere Anwesenheit hier. Obgleich Eure Gastfreundschaft…«
Hongan Os warf seinen Kopf zurück und lachte lauthals los. »Die haben Angst vor den Kleinsippen«, sagte er zu den Alten. »Die haben Angst, daß man sie aus dem Hinterhalt heraus überfällt, sobald sie meine Zelte verlassen haben. Sie essen Gras und fürchten den Kampf.«
Der Gelehrte errötete ganz leicht.
»Fürchte nichts, Fremdling!« lachte der Häuptling aller Sippen. »Echte Männer werden euch begleiten.«
Thon Taddeo neigte sein Haupt in gespielter Dankbarkeit. »Erzähl uns«, sagte der Wilde Bär, »was ist es, wonach ihr in der westlichen Trockengegend suchen wollt? Neues Land, um Felder anzulegen? Ich kann dir gleich sagen, daß es das dort nicht gibt. Außer in der Umgebung einiger Wasserlöcher wächst dort nichts, was selbst dem Vieh schmecken würde.«
»Wir suchen kein neues Land«, antwortete der Besucher. »Nicht alle von uns sind Bauern, wißt Ihr. Wir sind auf der Suche nach…« (Er verstummte. In der Mundart der Nomaden gab es keine Möglichkeit, den Zweck der Reise nach der Abtei des heiligen Leibowitz zu erklären.) »… nach den Geheimnissen alter Zauberkünste.«
Einer der Alten, ein Schamane, schien seine Ohren zu spitzen: »Alte Zauberkünste im Westen? Ich kenne dort keinen einzigen Zauberer. Es sei denn, du meinst die Schwarzröcke.«
»Genau die!«
»Ha! Über welchen Zauber sollen die verfügen, nach dem zu suchen sich lohnen würde? Ihre Boten kann man so leicht einfangen, daß es schon keinen Spaß mehr macht – obwohl, die Folter ertragen sie wacker. Welche Zauberkunst willst du von denen lernen?«
»Also ich für meinen Teil stimme dir zu«, sagte Thon Taddeo. »Aber man sagt, daß Schriften, äh, Zaubersprüche von großer Macht, in einer ihrer Niederlassungen angehäuft liegen. Wenn das stimmt, dann wissen die Schwarzröcke damit offensichtlich nicht umzugehen; aber wir hoffen, sie uns dienstbar machen zu können.«
»Werden die Schwarzröcke euch erlauben, ihre Geheimnisse zu untersuchen?«
Thon Taddeo lächelte. »Ich glaube, schon. Sie wagen nicht länger, sie zu verstecken. Wir könnten sie ihnen wegnehmen, wenn es sein muß.«
»Ein mutiger Spruch«, höhnte der Wilde Bär. »Wenn die Bauern unter sich sind, zeigen sie offensichtlich mehr
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