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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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jemanden, der so grinst. Ich mag es, aber… Eines Tages wird wieder so ein bissiger Hund hier auf diesem Stuhl sitzen. Cave canem. Er wird dich durch einen Leibowitz aus Gips ersetzen. Geduldig und sanft. Einen, der nicht nach Fliegen schielt. Dann wirst du in der Rumpelkammer drunten von Termiten zernagt werden. Um das langsame Aussieben der Kunstwerke durch die Kirche zu überstehen, brauchst du unbedingt ein Äußeres, das dem rechtschaffenen Simpel das Herz im Leibe lachen läßt; und doch muß dieses Äußere Tiefe ahnen lassen, um dem geistreichen Weisen zu gefallen. Das Aussieben geht langsam vonstatten, doch dann und wann wird das Sieb rascher gedreht - wenn ein neuer Prälat seine bischöflichen Räumlichkeiten besichtigt und dabei murmelt: »Ein Teil dieses Gerumpels hat jetzt wirklich zu verschwinden.« Das Sieb war gewöhnlich mit süßlichem Mus gefüllt. War das alte Mus durchgedrückt, so wurde frisches nachgefüllt. Aber das, was nicht durch das Sieb gedrückt werden konnte, war reines Gold und war beständig. Hatte eine Kirche fünf Jahrhunderte lang priesterlich schlechten Geschmack durchlitten, so war dann durch gelegentlichen guten Geschmack das meiste des zeitgebundenen Kitsches hinweggefegt worden, war aus ihr ein Ort der Erhabenheit geworden, der zukünftige Verschönerungssüchtige einschüchtern würde.
    Der Abt fächelte sich mit einem Wedel aus Geierfedern, aber der Luftstrom kühlte ihn nicht. Die Luft vom Fenster kam wie der Gluthauch eines Ofens von der ausgedörrten Wüste her. Das verstärkte sein Unwohlsein, hervorgerufen durch wen auch immer, den Teufel oder einen erbarmungslosen Engel, der in seinem Bauch in die Eingeweide griff. Es war die Art von Hitze, die auf drohende Gefahr weist, auf vor Hitze irr gewordene Klapperschlangen, auf sich über dem Gebirge zusammenbrauende Gewitter oder auf tollwütige Hunde, auf schlechte Laune, die durch stechende Sonne bösartig wird. Die Magenkrämpfe wurden ärger.
    »Bitte…«, murmelte er vernehmlich zum Heiligen hinüber, was soviel sein sollte wie ein Gebet um kühleres Wetter, schärferen Verstand und genaueres Erfassen seines unbestimmten Eindrucks, daß irgend etwas Heilloses geschehe. Vielleicht ist dieser Käse an allem schuld, dachte er. Klebriges Zeug dieses Jahr, und auch noch zu frisch. Ich könnte mich dispensieren – leichter verdauliche Speisen zu mir nehmen.
    Aber halt. Da haben wir es wieder. Keine Ausflüchte, Paulo: Nicht das, womit du deinen Bauch füllst, ist schuld daran, sondern das, was du in deinen Hirnkasten steckst. Etwas da oben ist unverdaulich.
    »Aber was?«
    Der hölzerne Heilige war nicht bereit, ihm zu antworten. Blödsinn. Aussieben der Spreu. Manchmal arbeitete sein Geist in raschen Sprüngen. Es war klüger, ihn so arbeiten zu lassen, wenn die Krämpfe ihn heimsuchten und das Gewicht der Welt schwer auf ihm lasten ließ. Sie lastet schwer, ist selbst aber unbelastet. Manchmal sind ihre Waagbalken verbogen. Sie wiegt Leben und Mühsal gegen Silber und Gold ab. Eins wird das andere nie aufwiegen. Doch eilfertig und unbarmherzig fährt sie mit dem Wiegen fort. So schüttet sie eine Menge Leben daneben und manchmal ein klein wenig Gold. Und blindlings kommt ein König durch die Wüste dahergeritten, eine verbogene Waage in der einen, falsche Würfel in der anderen Hand. Und auf die schöngefärbten Fahnen zierlich aufgemalt – Vexilla regis…
    »Nein«, brummte der Abt, versuchte das Bild loszuwerden.
    Aber ja doch! schien das hölzerne Lächeln des Heiligen mit Nachdruck zu sagen.
    Dom Paulo wandte seine Augen mit einem leichten Schauder vom Bildwerk ab. Manchmal kam es ihm vor, als lache ihn der Heilige aus. Lacht man im Himmel über uns? fragte er sich. Und die heilige Maisie von York – erinnerst du dich an sie, Alter –, sie starb an einem Lachanfall. Das ist was anderes. Sie lachte über sich selbst und starb. Nein, das ist gar nicht so was anderes. Uff! Wieder das leise Aufstoßen. Am Dienstag feiern wir das Fest der heiligen Maisie, fürwahr. Der Chor lacht ehrfürchtig über das Halleluja in ihrer Messe. »Halleluja hahaha! Halleluja huhuhu! Sancta Maisie, interride pro me!«
    Und der König kam, um mit seiner verbogenen Waage die Bücher im Kellergewölbe zu wiegen. Wieso »verbogen«, Paulo? Und was läßt dich annehmen, die »Denkwürdigkeiten« seien völlig frei von Spreu? Selbst der begnadete und verehrungswürdige Boedullus äußerte einmal verächtlich, daß etwa die Hälfte der

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