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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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Bericht des Priors über die Erprobung war ihm so gleichgültig wie nur was, aber er versuchte so aufmerksam wie möglich zu erscheinen. Ich muß ihn hier festhalten, bis ich genügend bei mir bin, um nachzudenken. Zum Arzt kann ich ihn nicht lassen, noch nicht. Neuigkeiten würden die Runde machen: der Alte ist erledigt. Ich muß mich entscheiden, ob es die richtige Zeit ist, erledigt zu sein oder nicht.
     

15
     
    Hongan Os war im Grunde seines Herzens ein gerechter und gütiger Mann. Als er einen Trupp seiner Krieger sich über die Gefangenen aus Laredan lustig machen sah, hielt er an, um sie zu beobachten. Aber als sie drei Laredanier an Händen und Füßen zwischen Pferden festbanden und die Pferde in fieberhafte Flucht peitschten, beschloß Hongan Os einzuschreiten. Er befahl, die Krieger auf der Stelle zu geißeln, denn Hongan Os – der Wilde Bär – war als Häuptling wegen seiner Milde bekannt. Ein Pferd hatte er nie schlecht behandelt.
    »Gefangene töten ist Weibersache«, brummte er die gegeißelten Übeltäter verächtlich an. »Säubert euch, damit die Frauen nichts merken, und laßt euch bis zum Neumond im Lager nicht blicken, denn ihr seid für zwölf Tage ausgestoßen.« Und als Antwort auf ihr protestierendes Jammern: »Stellt euch vor, die Pferde hätten einen von den dreien durch das Lager geschleift! Die Anführer der Grasesser sind bei uns zu Gast, und es ist bekannt, wie leicht sie Blut erschreckt. Vor allem das Blut ihrer eigenen Leute! Nehmt euch in acht!«
    »Aber die da sind Grasesser aus dem Süden«, widersprach ein Krieger und deutete auf die verstümmelten Gefangenen. »Unsere Gäste sind Grasesser aus dem Osten. Gibt’s da nicht einen Vertrag zwischen unserm mächtigen Volk und dem Osten, um Krieg gegen den Süden zu führen?«
    »Noch ein einziges Wort darüber, und dir wird die Zunge aus dem Mund geschnitten und den Hunden zum Fraß vorgeworfen!« ließ ihn der Wilde Bär wissen. »Vergiß, was du darüber gehört hast.«
    »Werden die Kräuterleute noch viele Tage bei uns bleiben, o Sohn der Stärke?«
    »Wer kann wissen, was diese Bauernlümmel vorhaben?« fragte der Wilde Bär ärgerlich. »Ihre Gedanken sind von unseren verschieden. Sie sagen, daß ein paar ihrer Kerle von hier abreisen werden, um das Trockenland zu durchqueren, bis zu einem Ort der Priester der Grasesser, zu einem Ort der Schwarzröcke. Die anderen werden hierbleiben, um zu reden. Aber das gehört nicht vor deine Ohren. Jetzt geht und schämt euch zwölf Tage lang.«
    Er kehrte ihnen den Rücken zu, damit sie sich davonschleichen konnten, ohne seinen wütenden Blick auf sich gerichtet zu fühlen. Die Disziplin ließ neuerdings zu wünschen übrig. Die Sippen waren unruhig. Es hatte sich bei den Leuten der Ebenen herumgesprochen, daß er, Hongan Os, einem Boten aus Texarkana die Hände über einem Vertragsfeuer gereicht hatte und daß ein Schamane beiden Haare und Fingernägel beschnitten hatte, um eine Treuepuppe daraus zu verfertigen, die beiderseitigen Verrat abwenden sollte. Es hatte sich herumgesprochen, daß eine Abmachung getroffen worden war, und jede Absprache zwischen dem Volk und diesen Grasessern konnte nach Ansicht der Stämme nur zur Schande gereichen. Der Wilde Bär hatte den heimlichen Spott der jüngeren Krieger gespürt, aber man würde es ihnen erst erklären können, wenn die rechte Zeit dafür gekommen war.
    Der Wilde Bär selbst hatte nichts dagegen, gute Gedanken anzuhören, selbst wenn sie von einem Hundsfott stammten. Die Gedanken der Grasesser waren selten gut, aber die Botschaften des Königs der Grasesser im Osten hatten ihn beeindruckt, die Art, wie er auf die Wichtigkeit der Geheimhaltung hingewiesen hatte, und er bedauerte die unnötige Prahlerei. Wenn die Laredanier erfuhren, daß die Stämme von Hannegan bewaffnet wurden, würde der Plan sicher zunichte werden. Der Wilde Bär hatte wieder und wieder darüber nachgedacht; er fand es widerwärtig – denn sicherlich war es befriedigender, männlicher, einen Feind vorher wissen zu lassen, was man ihm antun wolle. Und doch, je länger er darüber brütete, desto deutlicher sah er die Klugheit darin. Entweder war der König der Grasesser ein Erzfeigling, oder aber er war fast so klug wie ein Mann: der Wilde Bär hatte sich noch nicht festgelegt, welches von beiden – aber er hielt den Einfall an sich für klug. Geheimhaltung war wesentlich, selbst wenn sie eine Zeitlang weibisch schien. Wenn die eigenen Leute des Wilden Bären

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