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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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Stelle bleibe.
    So geschah es also, daß der Gelehrte seine Nachforschungen in der Abtei begann und dabei ständig die drei Novizen im Drehkreuz vor Augen hatte, den vierten nicht zu vergessen, der Gefahr lief, vor lauter Licht zu erblinden, der oben auf seiner Leiter die Lampe regulierte und am Leuchten erhielt – eine Lage, die den Dichter bewog, den Dämon Verlegenheit gnadenlos in Versen zu besingen, nebst den Greueln, die dieser im Namen der Bußfertigkeit oder der Nachgiebigkeit beging.
    Einige Tage untersuchten der Thon und sein Gehilfe die Bibliothek selbst, die Kartothek und die Schriften des Klosters, die nichts mit den Memorabilien zu tun hatten – als könnten sie durch Bestimmung der Güte einer Austernschale die Möglichkeit der Perle beweisen.
    Bruder Kornhoer entdeckte den Gehilfen des Thon am Eingang des Refektoriums auf den Knien, und für eine Sekunde konnte er sich des Eindrucks nicht erwehren, als halte der Kerl vor dem Marienbild über der Tür eine eigenartige Andacht ab, aber das Geklapper von Werkzeug machte die Täuschung zunichte. Der Gehilfe legte eine Wasserwaage in den Eingang und maß die weich sich rundende Vertiefung, die von mönchischen Sandalen durch die Jahrhunderte in den Stein geschliffen worden war.
    »Wir sind auf der Suche nach Methoden, geschichtliche Daten zu bestimmen«, erzählte er Kornhoer auf dessen Fragen. »Das hier schien eine brauchbare Stelle zu sein, um ein Maß der Abnutzung aufzustellen, weil der Verkehr leicht zu berechnen ist. Drei Mahlzeiten am Tag pro Mann, seit die Steine gesetzt wurden.«
    Bruder Kornhoer war von ihrer Gründlichkeit einfach beeindruckt, trotzdem verwirrte ihn diese Geschäftigkeit. »Das Quellenmaterial zur Bautätigkeit des Klosters ist vollständig«, sagte er. »Dort findet Ihr ganz genau, wann jedes Gebäude erbaut, jeder Flügel angebaut wurde. Warum nicht die Zeit sparen?«
    Der Mann blickte voll Unschuld auf: »Mein Meister sagt immer: ›Nayol ist ohne Sprache, und deshalb lügt er nie.‹«
    »Nayol?«
    »Eine der Naturgottheiten der Leute vom Red River. Er meint das natürlich im übertragenen Sinn. Das Zeugnis der gegenständlichen Welt ist die letzte Instanz. Archivare können lügen; die Natur ist dazu nicht fähig.« Er sah den Gesichtsausdruck des Mönches und fügte hastig hinzu: »Das soll nicht heißen, daß wir eure Quellen für Märchenbücher halten. Es ist einfach ein Grundsatz des Thon, daß alles auch von der Seite des Gegenständlichen her nachgeprüft werden muß.«
    »Eine faszinierende Ansicht«, murmelte Kornhoer und beugte sich hinunter, um die Schnittzeichnung zu betrachten, die der Mann von der Höhlung des Bodens angefertigt hatte. »Nanu, das hat ja die Form einer typischen Fehlerkurve, wie Bruder Majek sie nennt. Seltsam!«
    »Gar nicht seltsam! Die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Fuß von der Mittellinie abweicht, würde sich eben auch durch das mittlere Fehlergesetz bestimmen lassen.«
    Kornhoer war gefesselt. »Ich werde Bruder Majek rufen«, sagte er.
    Das Interesse des Abtes an den Untersuchungen der Gebäude durch die Gäste war weniger esoterisch. » Warum«, verlangte er von Gault zu wissen, »machen sie ausführliche Zeichnungen unserer Befestigungsanlagen?«
    Der Prior blickte überrascht drein. »Davon weiß ich gar nichts. Glaubt Ihr, daß Thon Taddeo…«
    »Nicht er. Die Offiziere, die mit ihm gekommen sind. Sie gehen dabei recht planmäßig vor.«
    »Wie seid Ihr ihnen auf die Schliche gekommen?«
    »Der Dichter erzählte mir’s.«
    »Der Dichter. Ha!«
    »Leider hat er diesmal die Wahrheit berichtet. Er hat ihnen eine ihrer Zeichnungen geklaut.«
    »Ihr habt sie noch?«
    »Nein, ich habe ihn veranlaßt, sie zurückzubringen. Aber die Sache gefällt mir nicht. Das sieht bedenklich aus.«
    »Ich nehme an, daß der Dichter für seine Mitteilung etwas haben wollte.«
    »Nein, seltsamerweise nicht. Er hat den Thon von Anfang an nicht ausstehen können. Seit sie angekommen sind, läuft er herum und führt brummende Selbstgespräche.«
    »Der Dichter hat immer vor sich hin gebrummt.«
    »Aber nicht in diesem ernsten Ton.«
    »Warum, glaubt Ihr, machen sie diese Zeichnungen?«
    Paulo hatte einen harten Zug um den Mund: »Bis wir etwas anderes herausfinden, nehmen wir an, ihr Interesse sei undurchsichtig oder beruflicher Natur. Die Abtei hat ihre Aufgabe als mauerbewehrte Zitadelle gut erfüllt. Sie ist weder durch Belagerung noch durch Sturmangriffe je genommen worden, und vielleicht drückt

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