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Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
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Faktoren voraussetzt und einige unerreichbare Meßwerte schätzt, könnte es auf dem Papier klappen. Aber der impulsive, glatte Sprung von der ungenauen Hypothese zum funktionierenden Modell – « Der Thon hüstelte nervös. »Eigentlich ist es Kornhoer, den ich nicht verstehe. Dieses Dings da…«, er wies mit dem Zeigefinger schüttelnd auf den Dynamo, »… ist ein Weitsprung aus dem Stand, der sich über etwa zwanzig Jahre vorbereitender Versuchsarbeit hinwegsetzt, Versuchsarbeit, die beim Verständnis der Grundlagen anfängt. Kornhoer ließ die Vorarbeiten einfach aus. Glaubt Ihr an ein übernatürliches Eingreifen? Ich nicht; aber hier muß das wirklich der Fall gewesen sein. Wagenräder!« Er lachte. »Was könnte er alles zustande bringen, wenn er über eine Maschinenwerkstätte verfügte? Ich verstehe nicht, was ein Mann wie er hier im Kloster eingesperrt macht.«
    »Das sollte Euch Bruder Kornhoer vielleicht besser selbst erklären«, sagte Dom Paulo und versuchte, dabei seine Stimme nicht gereizt und verstimmt klingen zu lassen.
    »Nun ja, gut…«,Thon Taddeo begann den alten Priester wieder mit den Tastzirkeln seines Blickes zu messen. »Wenn Ihr wirklich glaubt, daß niemand daran Anstoß nehmen wird, unkonventionelle Vorstellungen zu hören, würde ich mich freuen, unsere Arbeit zu erläutern. Einige dieser Vorstellungen jedoch könnten in Widerspruch stehen zu gängigen Vorur – äh – gängigen Anschauungen.«
    »Schön! Demnach müßte es ja spannend werden.«
    Ein Termin wurde vereinbart, und Dom Paulo fühlte sich erleichtert. Er glaubte, daß die verborgene Kluft zwischen christlichem Mönch und weltlichem Naturforscher ohne Zweifel durch freien Gedankenaustausch überbrückt werden würde. Kornhoer hatte gewissermaßen schon den Grundstein zur Brücke gelegt, nicht? Ausgiebiger, nicht eingeschränkter Umgang war vermutlich das beste Mittel, jegliche Spannung zu überwinden. Und der dichte Vorhang aus Zweifel und zögerndem Mißtrauen würde sich teilen, oder? Sobald der Thon bemerkte, daß seine Gastgeber nicht ganz die unvernünftigen, geistigen Reaktionäre waren, für die der Gelehrte sie zu halten schien. Paulo schämte sich seiner früheren Befürchtungen etwas. Herr, betete er, hab Geduld mit einem Toren, der es nur gut meint.
    »Ihr dürft aber die Offiziere mit ihren Skizzenbüchern nicht aus den Augen verlieren«, erinnerte ihn Gault.
     

20
     
    Vom Lesepult des Refektoriums stimmte der Vorleser Bekanntmachungen an. Kerzenlicht bleichte die Gesichter der in Kutten gehüllten Legionen, die unbeweglich hinter ihren Hockern standen und auf den Beginn des Abendessens warteten. Die Stimme des Vorlesers hallte hohl in dem hohen, gewölbten Speisesaal wider, dessen Decke sich über den Lichtlachen, die der Kerzenschimmer auf die hölzernen Tische tüpfelte, in schweren Schatten verlor.
    »Der Ehrwürdige Vater Abt hat mir aufgetragen, euch bekanntzugeben«, rief der Vorleser, »daß das heutige Gebot der Enthaltsamkeit für das Essen heute nacht aufgehoben ist. Wir werden Gäste bewirten, wie ihr vielleicht schon gehört habt. Alle Angehörigen des Ordens dürfen heute abend am Festessen zu Ehren Thon Taddeos und seiner Begleitung teilnehmen. Ihr dürft Fleisch essen. Es wird euch gestattet sein, euch während des Essens zu unterhalten, wenn ihr dabei nicht zu laut werdet.«
    Aus den Reihen der Novizen kam unterdrücktes Stimmengewirr, ersticktem Jubel nicht unähnlich. Man deckte die Tische. Vom Essen war noch nichts zu sehen, aber große Teller standen an der Stelle gewöhnlicher Suppenschüsseln und erregten als Anzeichen eines Festmahles Appetit. Die gewohnten Milchbecher blieben im Schrank; ihre Stelle hatten heute nacht die besten Weinpokale eingenommen. Auf die Tischplatten waren Rosen gestreut.
    Der Abt blieb draußen im Gang stehen und wartete, daß der Vorleser sein Lesen beenden werde. Er blickte hinein auf die Gedecke für ihn selbst, Pater Gault, den verehrten Gast und seine Gesellschaft. Schon wieder falsches Rechnen in der Küche, dachte er. Acht Plätze waren gedeckt worden. Drei Offiziere, der Thon und sein Gehilfe und die zwei Priester, das machte sieben – es sei denn, Pater Gault hätte Bruder Kornhoer gebeten, bei ihnen zu sitzen. Das sah ihm aber nicht ähnlich. Der Vorleser beendete die Bekanntmachungen, und Dom Paulo betrat den Saal.
    »Flectamus genua«, rief der Vorleser.
    Als der Abt seine Herde segnete, beugten die in Kutten gehüllten Scharen mit

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