Lobgesang auf Leibowitz
GERUCH STEIGT EMPOR VOM OPFERPLATZ? HAST DU MIR EIN BRANDOPFER BEREITET VON SCHAFEN ODER ZIEGEN ODER GOTT EIN KALB DARGEBRACHT?‹
Aber der Fürst antwortete Ihm nicht, und Gott sprach: ›DU HAST MIR EIN BRANDOPFER BEREITET VON MEINEN KINDERN.‹
Und der Herr erschlug ihn zusammen mit Blackeneth, dem Verräter, und Seuche wohnte auf der Erde, und die Menschheit war mit Wahnsinn geschlagen, daß sie von denen, die übriggeblieben waren, die Weisen zusammen mit den Mächtigen steinigte.
Aber zu dieser Zeit lebte ein Mann, der Leibowitz genannt war, der in seiner Jugend wie der gottesfürchtige Augustinus die Weisheit der Welt mehr geliebt hatte als die Weisheit Gottes. Doch jetzt, als er gesehen hatte, daß das große Wissen, obschon gut, der Welt nicht hatte zum Heil gereichen können, wendete er sich voll Reue Gott zu und rief:«
Der Abt klopfte hart auf den Tisch, und der Mönch, der die alte Erzählung vorgelesen hatte, verstummte sofort.
»Und das ist Eure einzige Erzählung davon?« fragte Thon Taddeo und lächelte den Abt über die Studierstube hinweg gezwungen an.
»Ach, es gibt einige Fassungen. Sie unterscheiden sich nur in unbedeutenden Einzelheiten. Keine weiß sicher, welches Volk den ersten Angriff geführt hat – was jetzt ziemlich gleichgültig ist. Der Text, den Bruder Vorleser eben gelesen hat, wurde einige Jahrzehnte nach dem Tod des heiligen Leibowitz geschrieben – wahrscheinlich einer der ersten Berichte –, als man wieder sicher schreiben konnte. Der Verfasser war ein junger Mönch, der die Zerstörung nicht selbst erlebt hat. Er hat es aus zweiter Hand von Anhängern des heiligen Leibowitz, den anfänglichen Einprägern und Buchschmugglern, und er hatte eine Schwäche für die Nachahmung der biblischen Sprache. Ich bezweifle, daß es irgendwo auch nur einen einzigen völlig genauen Bericht über die Feuerflut gibt. Einmal hereingebrochen, war sie offensichtlich zu ungeheuer, als daß irgend jemand sie zur Gänze hätte überblicken können.«
»In welchem Land lebte dieser Fürst, der Name hieß, und dieser Mann namens Blackeneth?«
Abt Paulo schüttelte den Kopf. »Nicht einmal der Verfasser des Berichts war sich sicher. Seitdem das geschrieben wurde, haben wir genug Einzelheiten aneinandergefügt, um zu wissen, daß sogar einige der undeutenden Herrscher jener Zeit solche Waffen in die Hände bekommen hatten, bevor das Brandopfer anfing. Die Lage, so wie er sie beschreibt, herrschte in mehr als nur einer Nation vor. Vermutlich waren Name und Blackeneth Legion.«
»Selbstverständlich habe ich ähnliche Sagen gehört. Es ist offenkundig, daß irgend etwas ziemlich Gräßliches sich ereignete«, bemerkte der Thon. Dann hastig: »Doch wann darf ich anfangen, diese – wie nennt Ihr sie? –, diese Sachen zu untersuchen?«
»Die Memorabilia?«
»Natürlich.« Er seufzte und lächelte abwesend dem Heiligenbild in der Ecke zu. »Wäre morgen zu früh?«
»Ihr könnt sofort anfangen, wenn Ihr wollt. Fühlt Euch wie zu Hause. Kommt und geht ganz nach Belieben.«
Die Kellergewölbe waren von schwachem Kerzenschein erleuchtet. Nur ein paar schwarzgewandete Mönchsgelehrte liefen in den Büchernischen herum. Bruder Armbruster saß von trübem Licht umflossen in seinem kleinen Stübchen am Fuß der Steintreppe und starrte schwermütig auf seine Schriftstücke. In der Nische mit den Büchern zur Moraltheologie brannte Licht, und eine verhüllte Gestalt beugte sich über eine alte Handschrift. Es war die Zeit nach der Prim, wenn fast die ganze Gemeinschaft ihren klösterlichen Pflichten in Küche, Schulzimmer, Garten, Stall und Gottesdienst nachging und so die Bibliothek bis in den späten Nachmittag, bis zur Zeit der lectio devina, beinahe leer blieb. Diesen Morgen jedoch war der Keller verhältnismäßig gut besucht.
Drei Männer standen wartend im Schatten der neuen Maschine. Sie hielten die Hände in ihren Ärmeln versteckt und beobachteten einen vierten Mönch, der am Fuß der Treppe stand. Der vierte blickte geduldig auf einen fünften Mönch, der auf dem Treppenabsatz stand und den Eingang zum Treppenhaus im Auge behielt.
Bruder Kornhoer hatte wie ein besorgter Vater über seinem Apparat gebrütet; als er aber keine Drähte mehr entdeckte, an denen er ziehen konnte, keine Justierungen mehr, die wieder und wieder einzustellen waren, zog er sich in die naturtheologische Abteilung zurück, um zu lesen und abzuwarten.
Es wäre erlaubt gewesen, eine
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