Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lobgesang auf Leibowitz

Lobgesang auf Leibowitz

Titel: Lobgesang auf Leibowitz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter M. jr. Miller
Vom Netzwerk:
durch den Keller schweifen, bemerkte das Drehkreuz und die Mönche, die sich in seinen Kreuzarmen abmühten. Seine Augen glitten die umwickelten Drähte entlang, bemerkten den Mönch auf der Leiter, erwogen den Zweck des Wagenraddynamos, maßen den Mönch, der mit niedergeschlagenen Augen am Fuß der Treppe wartete. »Unglaublich!« hauchte er.
    Der Mönch am Fuß der Treppe verbeugte sich voll Ehrfurcht und in Demut. Das bläulichweiße Leuchten warf messerscharfe Schatten im Raum, und die Kerzenflammen wurden in der Flut von Licht zu schmächtigen Irrlichtern.
    »Hell wie tausend Fackeln«, hauchte der Gelehrte. »Das muß eine alte – aber nein! Undenkbar!« Wie ein Schlafwandler ging er die Treppe weiter hinunter. Neben Bruder Kornhoer blieb er stehen und starrte ihn einen Augenblick lang neugierig an, betrat dann den Kellerboden. Er berührte nichts, fragte nichts, sah sich alles an, lief um die Anlage herum und untersuchte den Dynamo, die Drähte und auch die Lampe selbst.
    »Es scheint einfach unmöglich und doch…«
    Der Abt war seiner Sinne wieder Herr und stieg die Stufen hinab. »Deine Schweigepflicht ist aufgehoben!« flüsterte er Bruder Kornhoer zu. »Sprich mit ihm. Ich bin etwas – benommen.«
    Der Mönch begann zu strahlen: »Es gefällt Euch, mein Herr und Abt?«
    »Gräßlich!« keuchte Dom Paulo.
    Der Erfinder verlor die Fassung.
    »Eine erschreckende Art, Gäste zu behandeln! Der Helfer des Thon verlor darüber glatt seinen Kopf! Welche Erniedrigung für mich.«
    »Na ja, es ist wirklich ganz schön hell.«
    »Infernalisch! Geh und sprich mit ihm, während ich mir irgendeine Entschuldigung ausdenke.«
    Doch der Gelehrte hatte sich auf Grund seiner Beobachtungen eine Meinung gebildet, denn er trat rasch auf sie zu. Sein Gesichtsausdruck schien angespannt, sein Benehmen spröde. »Die Lampe brennt mit Elektrizität, wie habt ihr es fertiggebracht, sie all die Jahrhunderte versteckt zu halten? Nach all den Jahren, die ich versucht habe, eine Theorie aufzustellen, wie…« Er schluckte leicht und versuchte anscheinend, seine Selbstbeherrschung wiederzugewinnen, so als wäre er das Opfer eines ungeheuren Schabernacks geworden. » Warum habt Ihr sie versteckt? Hat das irgendeinen religiösen Grund – und welche…« Völlige Verwirrung machte ihn stumm. Er schüttelte seinen Kopf und blickte sich um, als suche er nach einer Fluchtmöglichkeit.
    »Ihr legt das falsch aus«, sagte der Abt schwach und griff Bruder Kornhoer am Arm. »Um der Barmherzigkeit Gottes willen, Bruder, erkläre es ihm!«
    Aber es ließ sich kein Balsam finden, der eine Wunde hätte schließen können, die akademischer Arroganz zugefügt worden war – weder damals noch zu einer anderen Zeit.
     

19
     
    Der Abt suchte nach dem bedauerlichen Vorfall im Keller durch jedes nur erdenkliche Mittel jenen unseligen Augenblick wieder gutzumachen. Thon Taddeo ließ äußerlich keinen Groll erkennen, ja, entschuldigte sich sogar bei seinen Gastgebern für sein vorschnelles Urteil über den Vorfall, nachdem der Erfinder des Geräts dem Gelehrten einen ausführlichen Bericht über den frisch gebackenen Entwurf, wie die Ausführung, erstattet hatte.
    Aber die Entschuldigung hatte lediglich zur Folge, daß der Abt nur noch mehr davon überzeugt war, man habe einen groben Schnitzer gemacht. Er brachte den Thon in die Lage eines Bergsteigers, der einen noch »unbezwungenen« Gipfel erreicht, nur um dort die Initialen seines Konkurrenten im höchsten Fels eingegraben zu finden – und der Konkurrent hatte es ihm vorher noch nicht einmal mitgeteilt. Auf Grund der Art, wie die Sache gehandhabt worden ist, muß es ihn übel mitgenommen haben, dachte Dom Paulo.
    Hätte der Thon nicht nachdrücklich betont (mit einer Entschlossenheit, die vielleicht auf Verlegenheit zurückzuführen war), daß ihr Licht von vorzüglicher Beschaffenheit sei, genügend hell, um selbst brüchige und altersschwache Urkunden, die bei Kerzenlicht kaum zu entziffern waren, einer genauen Prüfung zu unterziehen, so würde Dom Paulo die Lampe unverzüglich aus dem Keller haben entfernen lassen. Doch Thon Taddeo hatte betont, daß sie ihm gefalle – nur mußte er dann feststellen, daß es unumgänglich war, mindestens vier Novizen oder Postulanten ständig zu beschäftigen, um den Dynamo zu drehen und den Kohlenabstand zu regulieren. Worauf er bat, die Lampe zu entfernen – aber da schien Paulo sich im Recht zu fühlen, hartnäckig darauf zu bestehen, daß sie an Ort und

Weitere Kostenlose Bücher