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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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Zugehörigkeit geheim bleibt.«
    Winters stieß den Atem aus, den sie angehalten hatte. »Wie viele?«
    »Zu viele. Im Rat der Zwölf hat es Verrat gegeben. Ich und meine Männer sind des Nachts in einen Hinterhalt geraten, sowohl von innen als auch von außen. Etliche Ratsmitglieder sind gefangen und vor die Wahl gestellt worden, das Zeichen zu
empfangen oder ihr Leben zu lassen. Ich weiß nicht, welche gegen uns gearbeitet haben, aber ich weiß, dass man unsere Vögel abgefangen und manipuliert hat.«
    Winters’ Blick verengte sich. »Wo sind die anderen, Seamus?«
    Seamus ließ den Kopf wieder hängen und sagte nichts. Sie sah, wie Speichel und Tränen seinen Bart hinabliefen.
    Schließlich meldete sich der Hauptmann der Späher zu Wort. »Die anderen haben sich geweigert, das Zeichen anzunehmen, und wurden hingerichtet.« Seine Stimme klang verbittert, erkannte Winters, aber es war keine verurteilende Verbitterung.
    Ich verliere mein Volk. Sie spürte, wie diese Wahrheit auf ihr lastete, und kämpfte gegen die Tränen an, die sie zu beschämen drohten. Sie blickte zu Jin Li Tam. »Ich werde zu Hause gebraucht. Ich kann nicht mit Euch nach Windwir gehen.«
    »Sicher müsst Ihr tun, was Ihr für das Beste haltet«, sagte die Zigeunerkönigin bedacht, aber Jin Li Tams Hände bewegten sich, noch während ihr Mund sprach. Denkt noch einmal über diese Entscheidung nach; Ihr könntet um Bundschaft ersuchen. Die Sumpflande sind in andere Hände übergegangen, und Ihr werdet Hilfe benötigen, um sie zurückzuerlangen.
    Winters nickte, aber ein Teil von ihr fragte sich, ob ihre Länder überhaupt zurückerlangt werden konnten. »Ich werde darüber nachdenken.« Sie wandte sich nun gleich an den Hauptmann. »Was könnt Ihr mir sonst berichten?«
    »Es gibt einen alten Mann, der sich als Prophet ausgibt. Er predigt inzwischen offen ein neues Evangelium, und die Leute hören ihm zu.« Sie sah Abscheu im Gesicht des Offiziers. »Er verweist auf Schriften, die den Fall von Windwir vorhergesagt haben – auf den Tag genau –, und behauptet, dieses Ereignis kündige die Einsetzung einer Kaiserin an.«
    Ja, sie erinnerte sich an Ezras Worte in ihrer Badehöhle. Die Karmesinkaiserin. Ein neues Evangelium. Die Erinnerung strich mit kalten Fingern über ihre Haut. Das Sumpfvolk kannte kein anderes
Evangelium als das Buch der Träumenden Könige mit seiner gelobten Heimat und der Entschädigung für die Ungerechtigkeiten, die ihnen im Land ihres kummervollen Daseins widerfahren waren, aber Ezra hatte behauptet, dass nun ein neues Evangelium aufkam. »Welche Schriften hat er erwähnt?«
    Der Hauptmann schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wie er sie nannte. Der alte Mann hat aus dem Gedächtnis rezitiert, aber es ist nichts, was ich schon einmal gehört hätte. Der Wirkung auf Euer Volk nach zu urteilen, haben auch sie es noch nicht gehört.« Er runzelte die Stirn, während er die Worte aus seinem Gedächtnis hervorholte. »›Und es soll geschehen am Ende der Tage, dass sich ein säubernder Wind aus Blut erhebt und tilgende Klingen aus kaltem Eisen …‹«
    Nachdem die Worte verklungen waren, hörte Winters überrascht, wie eine andere Stimme den Vortrag fortsetzte. »›So sollen die Sünden des P’Andro Whym seine Kinder heimsuchen‹«, sagte Jin Li Tam leise.
    Ja. Sie begegnete Jins Blick und sah dort etwas, das sie verstörte. Sie schluckte, holte Luft und vollendete die Prophezeiung. »›So soll der Thron der Karmesinkaiserin errichtet werden.‹«
    Im Raum war es still, und Winters sah, wie blass Jin Li Tam geworden war. Die Zigeunerkönigin blickte sie mit besorgtem Gesicht an. Auch ich muss blass sein. Es hätte sie nicht überrascht – diese jüngsten Ereignisse erschütterten sie zutiefst. Irgendwie war dieses Gewächs in ihrem eigenen Garten gediehen, ja sogar unter ihrem Blick. Und auch unter Hanrics Blick und womöglich sogar dem ihres Vaters. Sie konnte es sich inzwischen vorstellen, obwohl sie davor zurückscheute: geheime Treffen im Wald und in den Höhlen; leise rezitierte Evangelienverse im Kerzenlicht; Schnitte für jene, die sie empfangen konnten; aufgemalte Zeichen, die man mühelos abwaschen konnte, für jene, deren Glauben verborgen bleiben musste. Und während all dieser Zeit war eine Armee von Blutplänklern ausgehoben worden, um in einer
Winternacht Grauen und Blutvergießen über die Benannten Lande zu bringen und die letzten Androfranziner aus der Neuen Welt zu tilgen.
    Ein Gedanke kam ihr, aber

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