Locke greift an
Auf dem Stadiondach wehten die Fahnen von Luxemburg, Deutschland und der UEFA freundlich nebeneinander.
Vor dem Spiel hatte die UEFA auch noch eine Durchsage organisiert, dass man Rassismus und Nationalismus keine Chance geben sollte, und das Publikum klatschte zustimmend zu dieser Ansage.
Als Kommentar murmelte Eva auf der Tribüne in sich hinein: »Hätte Locke sich das nur mal früher zu Herzen genommen.« Aber sie wusste natürlich am besten, dass Patrick seinen Ausrutscher mehr als bereute …
Eva und Lockes Eltern waren längst anwesend im Stadion. Locke hatte ihnen drei gute Freikarten besorgt. Hund Poldi allerdings war nicht mit von der Partie, er musste bei den Nachbarn bleiben, da er die Kombination Fußball und Patrick nicht ertrug. Es war schon mehrfach passiert, dass er sich wie der Chef des Stadions aufspielte. Bellend hatte er dann immer an der Linie gestanden und wollte so gerne zu Locke und zum Ball. In Herne, es war noch gar nicht lange her, hatte er sich plötzlich losgerissen und dafür gesorgt, dass die Begegnung für einige Minuten unterbrochen werden musste. Seit diesem Zwischenfall wurde Poldi nicht mehr zu Spielen mitgenommen.
Es war eine sehr einseitige Angelegenheit da unten auf dem grünen Rasen. Schon nach zehn Minuten führte Deutschland nach Toren von Heiko Erde und gleich zweimal hintereinander von Lukas Potborski mit 3:0. Man merkte der Partie mehr als nur einen Klassenunterschied an. Klar, die U15-Spieler aus Luxemburg spielten bei kleinen Vereinen wie Avenir Beggen und Jeunesse Esch und die deutschen Jungs trainierten teilweise schon fast unter Profibedingungen, aber so einfach hatte man sich das hier
doch nicht vorgestellt. In Minute zwölf bekam die Luxemburger Abwehr den Ball einfach nicht mehr aus dem eigenen Sechzehner heraus. Locke konnte aus zwölf Metern Entfernung einen Abpraller unter die Latte des Luxemburger Tores schießen. 4:0!
Freundliches Abklatschen war die Folge, aber kein übermäßiger Jubel. Kevin Rott bekam nicht einen einzigen Ball auf sein Tor und die deutsche Abwehr konnte sich am Sturmlauf beteiligen. So war es kein Wunder, dass Hannes Balder, der Innenverteidiger, sich zum ersten Mal in seiner U15-Laufbahn auch als Torschütze eintragen konnte. Nach einer Ecke von Jörg Ahlers hatte er frei stehend aus sieben Metern den Ball als Aufsetzer in das gegnerische Tor köpfen können. Lediglich der Luxemburger Torhüter Guy Hellers verhinderte bis zur Pause ein wahres Schützenfest. Mit 5:0 ging es in die Kabinen.
Trainer Stellter hatte natürlich wenig zu sagen in der Halbzeitpause.
»Macht so weiter und nicht überheblich werden. Übrigens, Erik, lauf dich jetzt intensiv warm, du kommst in der sechzigsten Minute für Heiko Erde. Ich will doch mal testen, wie ihr zwei, Locke und du, unter Länderspielbedingungen klarkommt.«
Dann ging es auch schon wieder raus in die zweiten fünfundvierzig Minuten. Sie wurden zu einem Spiegelbild der ersten Hälfte. Deutschland spielte auf ein weiteres rasches Tor, und es war Heiko, der sich in der neunundfünfzigsten Minute, kurz vor seiner Auswechslung, ebenfalls zum zweiten Mal in diesem Spiel, in die Torschützenliste eintrug. Beim Stand von 6:0 kam Erik auf den Rasen. Und es war so, als ob er und Patrick schon immer zusammengespielt hätten. Nur vier Minuten nach dem 6:0 war Locke auf der rechten Seite seinem Gegenspieler entwischt. Ein
kurzer Blick nach innen. Da stand Erik. Locke legte perfekt auf. Stössken musste nur noch die Innenseite hinhalten. 7:0! Jörg Ahlers, der Mittelfeldstratege, den alle jetzt wirklich nur noch Funkturm riefen, köpfte zum 8:0 ein. Und drei Minuten vor Schluss, nach einem munteren Auswechselspiel der deutschen Mannschaft, konnte Erik nochmals nach einer schönen Vorarbeit von Locke zum 9:0 einschießen. Der Schlusspfiff war für die bedauernswerten Luxemburger die Erlösung.
In der Umkleidekabine dann eröffnete Trainer Stettler - wie zu erwarten - seinem Kader, dass er außerordentlich zufrieden mit der Woche in Duisburg gewesen sei und dass alle Anwesenden wohl, wenn nichts Außergewöhnliches passieren würde, im April zum nächsten Test nach Barsinghausen bei Hannover kommen könnten.
»Allerdings«, so fügte er hinzu, »wartet dann ein internationaler Testgegner allerbester Klasse auf euch. Im Frühjahr sind die Argentinier auf einer Europa-Tournee, und gegen die könnt ihr dann zeigen, was ihr wirklich könnt. Die U15 aus Argentinien gilt als eine der besten
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