Locke greift an
aus«, überlegte er laut. Wir haben wohl höchstens hundert Leute aus Gelsenkirchen mitgebracht, oder?«
Da lächelte Kelter. »Nun, euer Mann Gottes hat aber auch noch die gesamte U15 von Blau-Weiß überzeugt, hierher zu kommen. Und deren Freunde und die Freunde der
Freunde. Und aus eurer Schule werden bestimmt auch Fans gekommen sein. Schließlich ist ja allgemein bekannt, dass ihr heute hier spielt. Also, so gute hundert mehr könnt ihr schon einplanen.«
Jetzt schaltete sich Ronny ein. Bisher hatte er sich, wie fast immer, ziemlich still verhalten. »Ehrlich, ich brauch kein Stimmvieh«, sagte er aufgebracht, »die Leute sollen uns aus Überzeugung wählen und nicht, weil sie uns kennen.«
Kelter war beeindruckt. »So sprechen sonst nur stolze Indianer«, antwortete er, »aber natürlich hast du recht.«
Die Leute von Zitronenpresse waren nun hinter die Bühne gekommen, und Eva machte eine Bemerkung: »Super, Jungs, toller Auftritt - da kann man ja richtig sauer werden.«
Der Sänger, der ein gelbes Halstuch trug, scherzte zurück. »Ha, ha, klasse Wortwitz hat die Dame von den DEVILS. Wohl’nen Clown zum Frühstück gegessen …«
Eva lächelte und wollte noch etwas erwidern, aber da dröhnte die Stimme des Moderators bis in den Backstage-Bereich und übertönte alles.
Joachim Kess, der Chef vom Rockbüro, hatte die Moderation selbst übernommen. Er kündigte nun mit großen Worten die nächsten Teilnehmer an. Eva staunte nicht schlecht, als sie hörte: »Wir haben eine reine Mädchenband am Start. Die Ladys kommen aus Recklinghausen und hören ebenfalls auf einen deutschen Namen, hoffentlich ist er nicht Programm. Ich weiß aber, dass die Truppe in Recklinghausen und Umgebung schon echte Live-Triumphe gefeiert hat. Liebe Rockfans, hier kommen die Heulsusen! «
Lediglich zaghafter Beifall kam auf, was darauf schließen ließ, dass die Heulsusen nicht gerade viele Fans mitgebracht hatten. Die Mädels aber hatten es in sich. Zunächst interpretierten
sie zwei ältere Titel von Blondie, die in ihrer Bearbeitung neu und echt cool klangen. Die Zuhörer tauten langsam auf, und da die Girls es auch noch durch ihre Optik und ihre temperamentvolle Bühnenshow schafften, die Zweitausendfünfhundert in der Halle auf ihre Seite zu ziehen, kam von Locke ein Anerkennendes: »Die gehören für mich jetzt schon zu den Favoriten.«
Und auch Ronny äußerte sich betont kurz und sachlich: »Handwerklich perfekt.«
Die Show der Heulsusen endete schließlich mit »Perfekte Welle« von Juli. Ohrenbetäubender Jubel war die Antwort. Die Mädels hatten es tatsächlich geschafft, innerhalb der zur Verfügung stehenden zwanzig Minuten einen starken Eindruck zu hinterlassen.
Das Los hatte ergeben, dass die NEW KICKING DEVILS erst als zehnte Band auf die Bühne mussten. Patrick hasste diese Warterei. Sie machte ihn nervös. Doch die Zeit verging dennoch schnell, denn er und die anderen DEVILS hörten sich alle Gegner im Wettbewerb genau an. Die nächsten sechs Bands brachten aber nichts wirklich Originelles auf die Bühne … Jetzt aber kündigte Joachim Kess die Startnummer neun an - und es wurde besonders laut in der Grugahalle.
»Liebe Rockfreunde«, rief er ins Mikro, »die nächsten Kandidaten kommen aus Duisburg-Marxloh. Sie proben dort in einem Hochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Das Besondere an der Gruppe ist, dass alle vier Bandmitglieder in der Türkei geboren wurden, aber seit fünfzehn Jahren mit ihren Eltern in Marxloh wohnen. Sie haben es geschafft, eine Mischung aus orientalischer und westlicher Rockmusik zu fabrizieren. Der Name ist gleichzeitig die Metropole Nummer eins in der Türkei - hier kommen für euch Istanbul! «
Unter den anwesenden Rockfans befanden sich mindestens siebenhundert Freunde der Band. Die Halle flippte förmlich aus. Sprechchöre wurden laut: »Turkye! Turkye! Turkye!«
Die Band hatte die Bühne komplett verdunkeln lassen. Ein wildes Gitarrensolo erhob sich. Lichtbündel zuckten vom Bühnenhintergrund in die Halle und zurück. Es sah aus, als würden tausende Menschen zeitgleich ein Foto schießen. Fotohandys wurden hochgehalten. Ein Blitzlichtgewitter ging über die Köpfe der Fans, und dann die Überraschung: Istanbul sang nur eigene Songs. Das hatte sich bis hierhin keine andere Gruppe getraut. In einem der Lieder ging es um das Leben eines türkischen Jungen im Ruhrgebiet und um die Probleme, die er bisweilen hat. Ähnliche Songs folgten. Der Höhepunkt aber war das Lied
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