Locke greift an
hier im Augenblick noch fünfundzwanzig Spieler versammelt und von dreien werden wir uns trennen müssen. Unser Kader bei der EM darf nur zweiundzwanzig Spieler umfassen. Also, strengt euch an, meine Herren.« Da war sie wieder, seine Redensart, und er schloss an: »Einen Freibrief hat keiner.«
Ein lauter Pfiff erklang und die erste Trainingseinheit begann. Zum Kummer vieler Spieler wurde nach dem Warmlaufen aber nicht das Leder über den Rasen bewegt, sondern mit einem dicken Medizinball gearbeitet. Der wog stolze fünf Kilogramm. Kondition war die Devise!
»Das ist schlimmer hier als bei Felix Magath«, keuchte Locke. »Ist Stettler jetzt auch unter die Schleifer gegangen?«
Die Spieler mussten unter anderem mit dem schweren Gerät etwa zwei Dutzend Meter weit sprinten und es dann, fast wie beim Basketball, in einen hoch aufgehängten Behälter werfen. Bei manch einem der U15-Junioren wirkte das sehr unbeholfen. Olli Bott, der Torwart Nummer drei, vom KSC, erlaubte sich die Frage: »Wofür soll das denn gut sein?«
»Frag mal den Olli Kahn«, antwortete Stettler barsch, »der wird dir schon die richtige Antwort geben. Übrigens hat er auch beim Karlsruher SC angefangen.«
Bott röchelte extralaut. »Ich weiß, ich weiß. Gleich nach dem Training werde ich ihn anrufen …«
Dann ging es unverändert weiter mit den konditionellen Übungen. Im Mittelpunkt nach wie vor: das Fünf-Kilo-Teil. Als Stettler die Schinderei endlich abbrach, fand Erik noch die Kraft zu einer witzigen Bemerkung: »Das Grauen hat einen Namen - Medizinball!«
Alle, die den Spruch mitbekamen, klatschten Beifall, auch Stettler konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Abgesehen von solcher Einlage aber blieb der Nachmittag eine ernste Angelegenheit. Diese ganze Einheit wurde zu einer echten Qual für die Fußballer, denn Stettler und sein Trainerstab verzichteten auch weiterhin komplett auf den Einsatz eines Fußballs an diesem trüben Apriltag. Gegen sechs war die Folterstunde beendet und um sieben Uhr war man schon zum Abendessen verabredet.
Locke lief das Wasser im Mund zusammen und das nicht nur weil er einen Riesenhunger hatte. Das Essen sah sehr appetitlich aus und es war genau das, was er gern mochte. Zuerst gab es eine leichte Tomatensuppe, danach gebratene Hähnchenbrust mit gut gewürztem Ratatouille, dann Reis, und zum Nachtisch wurden frische Früchte gereicht. Als Getränk gab es eine Auswahl verschiedener Fruchtsäfte und natürlich Mineralwasser.
Erik, der neben Patrick saß, lobte das Essen.
»Mal ganz ehrlich, so ganz, ganz gelegentlich nehme ich ja auch mal einen Burger, aber gegen diese frischen Sachen hier ist das doch nur Pappessen, oder hat jemand eine andere Meinung?«
»Genau, meine Herren.« Stettler hatte den Satz natürlich aufgeschnappt. »Eine gesunde Ernährung ist für einen Top-Sportler mindestens ebenso wichtig wie ein vernünftiges Training. Darauf solltet ihr auch in euren Vereinen und Familien achten.« Alle nickten dazu. Der eine oder andere aber sicher mit schlechtem Gewissen, weil er zu oft und zu viel Fastfood zu sich nahm …
Direkt nach dem Essen wurde eine Mannschaftssitzung abgehalten. Stettler zeigte das Video eines Spiels der argentinischen U15-Auswahl. Was die Jungs zu sehen bekamen, war ziemlich krass. Die Südamerikaner verprügelten förmlich die U15 der USA in Miami mit 6:0. Die US-Amerikaner konnten nur über die Ballsicherheit und Schnelligkeit der
Argentinier staunen - und nicht anders erging es auch der versammelten Nachwuchselite des deutschen Fußballs. Unsicherheit war zu spüren.
Stettler sah, was los war. Er schaltete das Videogerät ab.
»Was meint ihr«, fragte er die Mannschaft, »wie können wir gegen die bestehen?« Eisiges Schweigen war die Antwort. Dann aber meldete sich Tim Sotters von Werder Bremen.
»Wir müssen versuchen, eng zu stehen«, begann er. »Jeder Zweikampf muss angenommen werden. Außerdem sollten wir sehr schnell spielen. Auch wenn wir im Ballbesitz sind, dürfen wir das Leder nicht lange am Fuß behalten. Maximal zwei Ballberührungen und dann ein genaues Abspiel, das müsste ein Rezept sein.«
Stettler war sichtlich beeindruckt. »Hey, Tim«, fragte er, »trainierst du heimlich eine Mannschaft?«
Sotters fühlte sich geehrt. »Nein, Herr Stettler, aber mein Vater ist Trainer bei den Amateuren von Werder. Da bekomme ich schon so einiges mit.«
»Aha, daher weht der Wind!«, erwiderte Stettler und lachte. Dann aber nickte er. »Also, vom Prinzip
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