Locke greift an
sich der bekannte Hörfunkreporter Manni Treuckelmann mit seiner unglaublich markanten Stimme.
»Herrje, Fußballfreunde«, vermeldete er und startete einen Redeschwall, »das wird heute ein ganz dickes Ding. Unsere Jugendnationalmannschaft muss gewinnen, um noch eine Chance auf die nächste Runde zu haben. Aber ob das ausgerechnet gegen die Italiener möglich ist, möchte ich doch bezweifeln … Auch wenn die Jungs aus dem sonnigen Süden noch nicht recht gezeigt haben, wozu sie fähig sind - die Azuri haben mit Toni Insunita einen Vierzehnjährigen in ihren Reihen, der in der nächsten Saison einen Profivertrag bei Inter Mailand unterschreiben soll. Wer von unseren Jungs kann den schon stoppen?«
Treuckelmann holte kurz Luft, dann legte er wieder los.
»Zwei Minuten sind jetzt gespielt. Es regnet ohne Unterlass im Olympiastadion. Viele tausend Tifosi, wie die italienischen Fans auch gern genannt werden, feuern ihre Mannschaft an. Hören Sie einmal über unsere Außenmikrofone in die Stimmung hinein.«
Der Reporter schwieg zwei Sekunden und man hörte die Rufe »Italia! Italia! Italia!« durch das Stadion schallen. Aber mitten in diese Anfeuerung schaltete sich Treuckelmann wieder ein.
»Aufgepasst. Andreas Martin marschiert über die linke Seite in die Hälfte der Italiener. Er müsste abspielen. Das macht er jetzt auch. Auf Patrick Schubert, genannt Locke. Noch etwa vierzig Meter bis zum Tor. Der Schalker hängt etwas hinter den Spitzen. Heiko Erde bietet sich an, der Borusse. Erstaunlich, dass sich ein Schalker und ein Dortmunder so gut verstehen können … Ola, ola, das ist ja ein toller
Spielzug. Erde lässt jetzt einen Italiener einfach stehen, super Antritt von dem Deutschen. Am Elfmeterpunkt steht Stössken. Der müsste jetzt eigentlich angespielt werden. Aber Stössken sieht auf den Ball, er steht mit dem Rücken zum Tor. Dennoch geht das Leder nun dahin, und der Junge von Tasmania 1900, hier aus Berlin, lässt das Leder von der Brust abprallen. Schubert ist aufgerückt. Steht genau an der Linie zum Sechzehn-Meter-Raum. Er nimmt das Ding direkt. Und?!?! Tooooorr! Tooooorr! 1:0 für Deutschland in der dritten Minute. Wer hätte das gedacht?«
Evas Vater in seiner Praxis jedenfalls nicht. Seine Spritze, die er gerade einem Patienten gegen die Schmerzen verpasste, rutschte etwas ab und der geplagte Mann ließ ein deutliches »Aua« erklingen.
Im Olympiastadion lag sich die deutsche Mannschaft in den Armen. Stettler stand am Spielfeldrand und brüllte wie am Spieß, was sonst absolut nicht seine Art war. »Genau so, genau so!«
Italien übernahm nun zwar »rein optisch« das Spielgeschehen, doch Deutschland stand kompakt im Deckungsverbund und ließ kaum Chancen der Italiener zu. Lediglich Toni Insunita, das Ausnahmetalent, prüfte Kevin Rott mit einem gefährlichen Fernschuss. Das war in der vierundzwanzigsten Minute. Doch im Stile eines klasse Mannes fing Kevin den Ball und brachte dabei das Kunststück fertig, ihn sogar festzuhalten.
Die Halbzeitansprache von Stettler war kurz und dennoch eindrucksvoll. »Männer, hier sind drei Punkte drin und wir wären wieder voll im Geschäft. Jetzt gilt es nur noch, die Konzentration hoch zu halten und einen Konter eiskalt abzuschließen. Meine Herren, was sind wir?« Und wie von einem Indianerstamm kam es zurück: »Ein Team!«
Zweite Halbzeit. Die Stimmung im Olympiastadion von
Berlin blieb ausgezeichnet, denn die deutschen Jungs spielten einfach grandios! Allerdings ließ auch die Form der Italiener kaum etwas zu wünschen übrig. Es blieb spannend bis zur neunzigsten Minute. Nach dem Punktverlust gegen Polen kämpfte die Mannschaft wie eine Truppe Pizzabäcker vor dem heißen Ofen. Die deutsche Viererkette im Abwehrverbund aber ließ kaum etwas anbrennen.
Toni Insunita wurde immer giftiger auf dem Platz. In einigen Situationen übertrieb er den körperlichen Einsatz und deshalb sah er vom dänischen Schiedsrichter, völlig zu Recht, die gelbe Karte! Die Spannung knisterte.
Obwohl Lockes Vater fußballerprobt war bis in jede Faser, machte er daheim etwas total Ungewöhnliches. In der siebzigsten Spielminute sprang er plötzlich auf, holte sich die Leine von Poldi, schnallte den Hund an und verließ das Wohnzimmer.
»Das ist ein Herzinfarktspiel«, stöhnte er im Gehen. »Ich halte das nicht aus. In einer halben Stunde bin ich wieder da. Dann möchte ich mit euch auf den deutschen Sieg anstoßen.«
Doch auch Evas Vater, bekanntermaßen nicht der totale
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