Locke greift an
dessen er habhaft werden konnte. Die Presse lobte die Jungs von Trainer Stettler sehr. Von einem beeindruckenden Teamgeist war da oft die Rede und von wirklich großen Talenten. Herr Schubert las das alles voller Begeisterung. Heimlich schnitt er die Artikel aus und bewahrte sie in einem Ordner auf.
An diesem Morgen aber verschüttete Lockes Vater vor Ärger seinen Kaffee, und zwar voll über seine Hose. Er hatte eine große Boulevard-Zeitung aufgeschlagen und dort lachte ihn ein Foto an. Er im Gespräch mit Beckenbauer auf der Tribüne in Köln, aufgenommen während des Spiels gegen England. In den Zeilen unter dem Foto stand zu lesen: »Franz Beckenbauer und der Vater von Patrick Schubert. Insider vermuten, dass Beckenbauer den Schalker Spieler zum FC Bayern holen möchte.«
Lockes Vater regte sich mächtig auf. »Sandra, schau dir diesen Blödsinn an. Kein Wort habe ich mit Beckenbauer darüber gesprochen, so ein Quatsch.«
Frau Schubert konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. »Du kennst doch diese Zeitung. Die machen gerne aus einer Mücke einen Elefanten.«
Damit war das Thema in Gelsenkirchen vom Tisch, aber dieses Blatt war die meistgelesene Zeitung in Deutschland, und auch Stettler hatte das Bild gesehen und die Unterschrift gelesen.
Der Trainer zitierte Locke zu einem Gespräch.
»Was ist da dran, Patrick?«, überfiel er ihn geradezu und reichte ihm die Zeitung. »Solche Personalgeschichten bringen nur Unruhe. Während der EM kann ich das nicht gebrauchen und du schon gar nicht.«
Locke war echt entsetzt. »Ich hatte keine Ahnung davon«, stieß er hervor. »Wenn Sie gestatten, rufe ich jetzt sofort
meinen Vater an und frage, was da war. Aber …«, fügte er mit Nachdruck hinzu, »ich würde nie nach München gehen. Ich bin Schalker durch und durch.«
Stettler schaute ihn nachdenklich an. »Glaube ich dir ja. Du brauchst auch deinen Vater nicht anzurufen, aber«, er seufzte, »wenn die Münchner dir viel Geld bieten … Du wärst nicht der Erste, der da schwach würde.«
Locke blickte seinen Trainer fest an. »Über Geld beim Fußball habe ich mir bislang kaum Gedanken gemacht. Und das bleibt auch so.«
Stettler seufzte ein zweites Mal. »Schön wär’s«, meinte er. »Aber eines Tages wirst du dazu gezwungen sein, und ich befürchte, dieser Tag ist nicht mehr so fern.«
Stettler hatte für das Spiel gegen Schottland keinerlei Veränderungen vorgenommen. Warum auch? Alles hatte bislang prima gepasst und auch Verletzungen waren der deutschen Mannschaft erspart geblieben. Also saß man in alter Besetzung im Mannschaftsbus.
Von Hennef nach Frankfurt war es nicht weit. Nach etwas mehr als einer Stunde würde man über die Autobahn dieses sehr moderne WM-Stadion erreichen.
Es war später Nachmittag und auffällig ruhig im Bus. Viele der Spieler hatten sich Kopfhörer aufgesetzt, hörten Musik und konzentrierten sich so auf das Spiel gegen Schottland.
Auf der Strecke nach Frankfurt war schon mächtig Betrieb. Man sah viele Fahrzeuge mit deutschen Fahnen und mit Transparenten. Jeder, der den Mannschaftsbus sah, winkte begeistert oder hupte wie wild. Ganz klar, diese U15 hatte sich in die Herzen der Fans gespielt …
In der Umkleide erklärte Trainer Stettler nochmals kurz die Taktik. Er hatte sich mit Erik, Heiko und Patrick für einen astreinen Sturm entschieden. Dahinter, im Mittelfeld,
würde eine Dreierkette und danach eine Viererabwehrkette aufgebaut werden. Stettler wollte die Schotten gar nicht erst zur Entfaltung kommen lassen. »Meine Herren, dieses Spiel noch bis zum Finale - das schafft ihr! Was sind wir?« Diesmal klang es wie bei der Besatzung eines Piratenschiffes vor einem großen Überfall. Unglaublich entschlossen kam zurück: »Ein Team!«
In Gelsenkirchen lief die Fernsehkiste wieder auf Hochtouren. Erneut die große Runde: Pfarrer Kelter, Eva und ihre Eltern sowie die Eltern von Locke. Poldi trug ein schwarz-rot-goldenes Halsband, was etwas albern wirkte, aber dem Hund war das egal.
Günter Kellner, ein bekannter Reporter aus Franken, durfte das Spiel für die ARD moderieren.
»Liebe Fußballfreunde«, begann Kellner schnarrend seine Reportage, »so ein Abendspiel ist doch immer noch etwas Besonderes, zumal wenn es um den Einzug in das Endspiel um die U15-Europameisterschaft geht. Deutschland gegen Schottland können wir Ihnen anbieten und fünfzigtausend Besucher wollen dies Spiel hier in Frankfurt live miterleben. Herzlich willkommen - hoffentlich zu einem
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