Lockend klingt das Lied der Wueste
Nein, ich möchte im Haus nichts verändern.“
„Ich dachte auch nur, dass du die Dinge ändern könntest, die dir nicht gefallen.“
Sie setzten ihre Besichtigungstour fort. Das Esszimmer mit seinen warmen Braun- und Honigtönen hatte riesige Ausmaße. Die Vorhänge waren im orientalischen Stil gerafft, der achteckige Tisch aus glänzend poliertem Holz bot Platz für mindestens zwanzig Personen.
Vor der nächsten Tür zögerte Karim kurz, bevor er sie öffnete. Dahinter lag ein kleiner, gemütlicher Salon, dessen Dekor in Hellrot, Dunkelblau und Weiß gehalten war. Die Möbel wirkten bequem und luden zum Verweilen ein. War dies der persönliche Wohnraum des Paares gewesen?
„Oh, was für ein hübsches Zimmer!“ Am liebsten hätte Lisa ein Foto davon gemacht. Trotz seiner Eleganz besaß der Raum eine warme, freundliche Note.
In Erinnerungen versunken, hing Karims Blick für einen Moment an dem Sofa, dann ließ er ihn über die restliche Einrichtung schweifen.
„Dieses Zimmer hat sie am meisten geliebt“, sagte er leise.
„Ich kann verstehen, warum. Durch die hohen Glastüren hat man beinahe das Gefühl, mitten im Garten zu sitzen.“ Lisa spürte, wie Karim mit seinen Emotionen kämpfte, und trat ans Fenster, um ihm ein wenig Privatsphäre zu geben.
Wenn Karim die Trauer um seine Frau nach drei Jahren nicht überwunden hatte, dann würde er es auch in Zukunft nicht tun. Außerdem bestand sowieso keine Aussicht, dass er sich in eine Frau wie sie verliebte.
Plötzlich fühlte Lisa sich wie ausgebrannt. Sie wollte nur noch ins Camp zurück und die Empfindungen aus ihrem Herzen reißen, die Karim in ihr geweckt hatte – ihre Gefühle und ihre Träume, dass sie womöglich doch auf einer gemeinsamen Ebene zusammenfinden konnten.
Am nächsten Mittag war Lisa wieder im Camp. Das Museum hatte ihr einen Jeep mit Fahrer geschickt, der sie zurückbrachte. Karim hatte sie an diesem Morgen nicht mehr gesehen. Sie wusste nicht, ob er nach ihrer Abreise noch einmal zum Apartment gekommen war, um sich von ihr zu verabschieden. Als sie die Wohnung verlassen hatte, war nur Maliq da gewesen.
Nachdem sie Professor Sanders einen kurzen Bericht erstattet hatte, machte Lisa sich gleich an die Arbeit. Inzwischen waren weitere Gebeine gefunden worden, ebenso Teile, die wie Schmuckstücke aussahen. Das Objekt, das Lisa als Erstes fotografieren wollte, war ein kleines Blatt aus einem fast durchsichtigen grünen Stein. Sie hatte den Professor gefragt, ob es womöglich Jade war, und er hatte stolz genickt. Allerdings musste es noch genau identifiziert werden. Wenn es sich tatsächlich um Jade handelte, war dies ein Beweis für eine Verbindung mit der sagenumwobenen alten Seidenstraße.
Bei dem Gedanken daran, welche Tragweite der Fund für die ganze Ausgrabungsexpedition haben konnte, klopfte Lisa das Herz vor Aufregung. Würde man ihnen nun einen Aufschub gewähren?
„Es ist noch zu früh, um Genaueres sagen zu können“, hatte der Professor gemeint. „Aber wir sind uns dessen ziemlich sicher.“
Lisa fotografierte das Schmuckstück von allen Seiten. Das blasse Grün hob sich gut von dem dunklen Hintergrund ab, vor dem sie den Jadestein platziert hatte.
Der restliche Tag verging wie alle anderen. Nur die Aufregung über die Funde war im ganzen Camp zu spüren.
Nach dem Abendessen beschloss sie, einen Spaziergang zu machen. Die Archäologen redeten über nichts anderes als über die antike Grabstätte, und sie fühlte sich ein wenig ausgeschlossen.
Sie ging hinüber zu dem provisorischen Korral, den man für Karims Pferd errichtet hatte. Wie herrlich wäre es jetzt, durch die mondbeschienene Wüste zu reiten! Die Landschaft war in ein silbriges Licht getaucht und wirkte mit ihren dunklen Kontrasten wie ein Schwarz-Weiß-Foto. Es war fast Vollmond, und die Sterne funkelten ein wenig blasser als sonst.
Lisa liebte diese Zeit am Abend, wenn die Hitze des Tages von nächtlicher Kühle abgelöst wurde. Dann wanderte sie am liebsten draußen umher.
Wohin ihr Blick auch fiel, musste sie an Karim denken. Ihm erging es sicherlich ähnlich, wenn ihn alles im Haus an seine tote Frau erinnerte. Mit einem Seufzer schlug Lisa die Richtung zu ihrem Zelt ein. Sie würde ihr Tagebuch auf den neuesten Stand bringen und dann zu Bett gehen.
Die Aufnahmen von Soluddai waren bereits entwickelt und sortiert. Diejenigen, die in ihrem Buch erscheinen sollten, hatte sie zur Seite getan. Am besten gefiel ihr das Foto von der Statue im
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