Lockend klingt das Lied der Wueste
durch die herrlichen Gärten schlendern.
Zu ihrer Überraschung brachte Karim sie zu einem roten Sportwagen mit offenem Verdeck, der vor dem Gebäude parkte.
„Darin lässt es sich bequemer fotografieren“, meinte er und öffnete ihr die Beifahrertür.
„Gehört er dir?“
„Ja.“ Karim setzte sich ans Steuer und ließ den Motor an.
„Fährst du damit richtig schnell?“
„Meistens. Aber nicht heute. Ich werde im Schneckentempo durch die Straßen steuern, damit du deine Aufnahmen machen kannst.“
Lisa lachte. Sie fühlte sich so glücklich und unbeschwert wie lange nicht mehr. Noch ein paar unverhoffte Stunden mit Karim!
Soluddai bot einen reizvollen Kontrast von arabischer Architektur und modernen Wolkenkratzern. Manchmal glaubte sie, im Herzen von Los Angeles zu sein, dann wieder fühlte sie sich in Tausendundeine Nacht versetzt. Begeistert machte sie Aufnahmen von mosaikverzierten orientalischen Bauwerken und hohen Stahlkonstruktionen.
„Ich finde diese Mischung von Alt und Neu faszinierend“, schwärmte sie. „Nicht nur die Gebäude, auch die Menschen auf der Straße. Einige tragen Beduinengewänder, andere westliche Kleidung wie in Paris und Rom.“
„Soluddai ist eine Stadt der Gegensätze. Tradition und Moderne, Orient und Okzident – alles trifft hier aufeinander.“
Lisa nickte nachdenklich. Je mehr Zeit sie mit Karim verbrachte, umso deutlicher wurden ihr die Unterschiede zwischen ihnen beiden bewusst. Er war Städte wie Soluddai gewohnt, sie dagegen lebte in einer typisch amerikanischen Großstadt. Sie war noch nie in London oder Paris gewesen, und sie hatte auch noch nie zuvor in einem Sportwagen der Luxusklasse gesessen. Die Kluft zwischen ihnen wurde immer größer. Lisa ertappte sich bei dem Wunsch, es gäbe eine Brücke, auf der sie sich auf halbem Wege treffen könnten. Doch Karim würde seine tote Frau nie vergessen, und sie, Lisa, passte nicht in seine Welt. Aber ich wäre schon glücklich, wenn ich für die kurze Zeit, die uns bleibt, vergessen könnte, dass er der arabischen Aristokratie angehört, Häuser in drei verschiedenen Ländern besitzt und an Bedienstete gewöhnt ist, dachte sie sehnsüchtig. Wenn wir einfach nur Karim und Lisa sein könnten, ohne Vergangenheit und ohne Zukunft.
„Du bist so still geworden“, unterbrach er ihre Gedanken.
„Ich dachte an das Layout meines neuen Buches“, schwindelte sie.
Plötzlich erschien ihr der Tag nicht mehr so strahlend hell wie zuvor. Lisa war klar, dass die Sache für sie nicht ohne ein gebrochenes Herz ausgehen würde. Sie hatte sich ernstlich in einen Mann verliebt, der für sie so unerreichbar war, dass andere nur darüber lachen würden.
Karim bog in die Zufahrt zu einem ausgedehnten Park ein und stellte den Wagen in der Nähe des Eingangs ab.
„Komm, ich werde dir eine der Sehenswürdigkeiten dieser Anlage zeigen“, sagte er und stieg aus.
Auf den Wegen, die von Büschen und blühenden Sträuchern gesäumt waren, standen noch Pfützen von dem nächtlichen Gewitterregen. Es war wieder ein herrlicher Tag, und keine Wolke befand sich am Himmel.
„Hast du denn das Gewitter letzte Nacht gehört?“, fragte sie.
„Ja. Bist du davon aufgewacht?“
Lisa nickte. „Ich war froh, dass ich im Bett lag und nicht irgendwo draußen war.“
„Hier ist es.“ Vor ihnen erstreckte sich eine große, gepflegte Rasenfläche, in deren Mitte sich eine Statue in doppelter Lebensgröße erhob. Sie war aus strahlend weißem Marmor gemeißelt und zeigte einen Mann in arabischer Tracht, der ein hoch beladenes Kamel führte.
„Ein wunderschönes Denkmal“, sagte Lisa und hob die Kamera. „Wen stellt es dar?“
„Mohammad bin Ker-Al. Vor zweihundert Jahren kämpften unsere Soldaten gegen Feinde im Norden. Sie wurden von der Versorgung abgeschnitten, und ihnen drohte der Hungertod. Im Schutz einer dunklen Nacht machte Mohammad sich mit seinem Kamel auf, um den Soldaten die wichtigsten Dinge zu bringen, damit sie bis zum Eintreffen der Verstärkung überleben konnten. Er stammte aus Soluddai. Die Stadt hat ihm ein Ehrendenkmal gesetzt.“
„Ein beeindruckendes Monument. Ich könnte es als Titelbild für mein Buch nehmen.“
Lisa ging um die Statue herum und fotografierte sie von allen Seiten. Karim beobachtete sie gedankenvoll. Ob sie jemals heiraten und Kinder haben wird? fragte er sich. Oder würde das Reisefieber sie von einem Ort zum anderen treiben, um Fotos zu machen und Bücher über fremde Länder zu
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