Lockende Kuesse
sagte sie mit einem schüchternen Lächeln.
»Freut mich, dass du so denkst, Topaz. Ich überlege nämlich, hier zu bleiben. Wahrscheinlich gibt's bald eine Hochzeit.«
Ein verzweifelter Ausdruck breitete sich auf ihrem Gesichtchen aus. »Das dürfen Sie nicht!«, brach es aus ihr hervor, und sofort schlug sie sich mit der Hand auf den Mund.
»Topaz, was ist los?« Er streckte die Hand aus und streichelte ihr die Wange. Diese zärtliche Geste entwaffnete sie vollkommen. Tränen schössen ihr in die Augen.
»O Herr, Ihre Kitty ist nicht tot.« Er sprang so jäh auf, dass der Stuhl umkippte. Seine Augen blitzten. »Wo ist sie?«, fragte er barsch.
»Die Herrin hat sie an den Sklavenhändler verkauft.«
Sein Gesicht wurde aschfahl, und er sackte vor ihr in die Knie. »Heiliger Jesus, ich habe gebetet, dass sie nicht tot ist, doch jetzt wünschte ich bei Gott, sie wäre es!«
»O Herr, o mein Gott, sie wird mich dafür umbringen!«
»Hör auf zu weinen, Topaz, ich werde nicht zulassen, dass sie dir etwas antut. Wo hat er Kitty hingebracht? Zur Sklavenauktion in Charleston? Wie heißt dieser Sklavenhändler?«
»Ich erinnere mich nicht, Herr. O Gott, sie wird mich umbringen.«
»Geh zu Bett, Topaz«, befahl er ihr ruhig.
Jaquine kam in vollem Galopp herangeritten und zügelte ihr Pferd unter Patricks Balkontür. Er blickte auf sie herab und zündete sich eine Cheroot an. Das Streichholz flammte auf, und in seinem Schein sah sie seinen nackten Körper. Sie lächelte zu ihm hinauf und stieg rasch ab. Dann ergriff sie den Saum ihres Reitkostüms und lief eifrig die Treppe hinauf. Da stand er vor ihr in seiner ganzen herrlich männlichen Pracht. Sie streckte die Hand aus und strich über seine muskulösen Arme und seine breite, behaarte Brust. Er nahm sie auf, hob sie hoch über seinen Kopf und ließ sie brutal auf sein hochgerecktes Knie herunterkrachen. Ein entsetzliches Knacken ertönte, als ihre Wirbelsäule brach. Tot sank sie zu Boden. Ruhig wusch er seine Hände und zog sich wieder an. Dann hob er sie auf und brachte sie zu ihrem Pferd hinunter. Sie ritt ohnehin wie eine Verrückte, also würden alle annehmen, sie wäre bei einem Reitunfall umgekommen. Im großen Stall sattelte er sich still ein Pferd, was nicht weiter auffiel. Er wusste, dass eine unmögliche Aufgabe vor ihm lag. Er fürchtete, sie möglicherweise nie wieder zu finden, aber versuchen musste er es.
Der kleine Charles zog Kittys Aufmerksamkeit auf sich. Er hatte sich an einem Stuhlbein hochgezogen und torkelte nun langsam auf sie zu. Kitty musste lachen, als sie ihn so zwischen den Umzugskisten herankommen sah. Ihre Abreise hatte sich um ein paar Monate verschoben, weil der neue Gouverneur etwas verspätet eingetroffen war. Nun überwachte sie das Einpacken von Charles' Kunstsammlung, die sie zurück nach England mitnehmen wollten. Der Abschied von der Insel fiel ihr nicht leicht, denn sie war hier glücklich gewesen. Charles war so aufmerksam und lieb zu ihr. Er behandelte sie, als wäre sie sein kostbarster Besitz, bewies ihr beständig mit Zärtlichkeiten seine Liebe. Oft hatte sie das Gefühl, ihn zu betrügen, weil er so selten Ansprüche an sie im Ehebett stellte. Sie wusste, dass er nicht gleichgültig war, doch fürchtete er wohl zu versagen und wollte eine solche Peinlichkeit vermeiden. Vielleicht würden die Dinge sich ja ändern, wenn sie an Bord wären und er seine anstrengenden Verpflichtungen als Gouverneur hinter sich gelassen hätte. Kitty konnte es kaum abwarten, ihren Bruder wieder zu sehn. Sobald sie wieder in der Heimat wären, würde sie veranlassen, dass ihr Großvater nach Irland zurückkehren könnte, um auf dem irischen Landsitz zu leben, den Charles ihr überschrieben hatte. Terry konnte ihn leiten und vielleicht Pferde dort züchten, waren sie doch schon immer seine Leidenschaft gewesen.
»Ich habe das Richtige getan«, sagte sie sich, als sie sich die Freude ihrer Lieben vorstellte, wenn sie erfuhren, dass sie wieder in das Land zurückkehren konnten, an dem ihr Herz hing.
Kitty wählte mit Bedacht ein Kleid aus und setzte einen großen Hut auf, der ihr Gesicht wohl beschattete. Rasch und ohne Zögern spazierte sie von der Gouverneursresidenz durch das Geschäftsviertel von Basseterre und dann durch das Nobelviertel, wo eine prächtige Villa die andere ablöste. Das letzte Haus in der Straße war größer und beeindruckender als alle anderen. Ohne Zögern öffnete sie das Gatter und schritt den Weg bis
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