Lockende Kuesse
um.«
Danach wurde nichts mehr gesprochen, und die eisige Stille hielt auch während der Rückfahrt zum Cadogan Square an. Das Gesicht, das sie von allen am meisten liebte, hatte nun einen finsteren, verschlossenen Ausdruck.
Danach gingen sie einander so weit wie möglich aus dem Weg, und wenn sie gezwungen waren, sich im selben Raum aufzuhalten, wie während der Weihnachtsfeierlichkeiten, herrschte eine angespannte Höflichkeit zwischen ihnen.
Julia plante seit geraumer Zeit einen Silvesterball und war entzückt darüber, dass Patrick nun auch anwesend sein würde.
»Ich hoffe, du hast auch ein paar nette junge Männer für Kitty und mich eingeladen«, sagte Barbara hoffnungsvoll.
»Junge Männer werden genug kommen, aber ich weiß nicht, ob einer davon eine arme Kirchenmaus wie Kitty heiraten möchte«, spottete Julia.
»Aber Julia, Kitty ist wunderschön, und ich habe erst neulich alles über die zwei Gunning-Schwestern gelesen. Als ihre Mutter mit ihnen aus Irland hierher kam, waren sie so arm, dass sie nur ein hübsches Kleid hatten, das sie abwechselnd tragen mussten, sodass immer nur eine ausgehen konnte. Elizabeth war so schön, dass der Herzog von Hamilton mit ihr durchgebrannt ist und sie schon einen Monat, nachdem sie sich kennen gelernt haben, geheiratet hat.«
Patrick blickte von seiner Morgenzeitung auf und bemerkte trocken: »Er war ein notorischer Trunkenbold, der ihr in rascher Folge zwei Kinder und überhaupt das Leben zur Hölle gemacht hat.« Barbara reckte ihr Kinn und erwiderte: »Aber das war ja das Allerbeste daran. Er hat sich mit dreiunddreißig totgetrunken, und Elizabeth hat sofort danach den fünften Erben von Argyll geheiratet. Maria hat sogar eine noch bessere Partie gemacht; sie hat einen Grafen geheiratet.«
Julia entgegnete: »Romantischer Schnickschnack! Kitty wird jede Menge Anträge kriegen, aber keiner davon wird ein Heiratsantrag sein.«
Patrick reizte diese Bemerkung so, dass er wütend sagte: »Du bist ganz schön missgünstig, Julia. Zufällig weiß ich, dass Kitty deine Stiefmutter hätte werden können! Wenn sie Vater geheiratet hätte, hätte er ihr vermutlich alles hinterlassen, und ihr wärt enterbt worden.«
Beide Mädchen starrten ihn mit offenen Mündern an.
Julia hatte jede Menge Freunde eingeladen, und auch alle Verwandten von Jeffrey waren da. Kitty wurde mit Aufforderungen zum Tanz überschüttet, und sobald die Musik aufhörte, war sie von einer Männertraube umringt. Ihre Augen suchten oft Patrick, dem es ebenfalls nie an weiblichen Bewunderern mangelte. Die jungen Dinger hingen in seiner Nähe herum, warfen ihm scheue Blicke zu und erröteten bis unter die Haarwurzeln, wenn er sie ansprach; aber die älteren, verheirateten Frauen überschlugen sich geradezu, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Sie schickten ihm unverfroren einladende Blicke und reckten die Brüste, ohne auch nur im Mindesten zu versuchen, ihre Absichten zu beschönigen.
Kitty suchte Terrance auf, der gerade mit Barbara getanzt hatte.
»Was ist los, Kitty?«, fragte er.
»Ach, es ist einfach furchtbar. Ich bleibe jetzt am besten bei euch. Ihr habt ja keine Ahnung, wie diese Männer hier sind.«
»Wer? Der Kerl, mit dem du getanzt hast? Was hat er gemacht, zum Teufel?«
»Er hat dauernd versucht, mich zu küssen«, sagte sie indigniert.
»Ich geh und red mal ein Wörtchen mit ihm«, sagte Terry ärgerlich.
»Ach, lass nur. Es war nicht bloß er. Der Letzte ist mit mir hinter diese Topfpflanzen getanzt und hat seine Hand in meinen Ausschnitt gesteckt.«
»Vor aller Augen?«, fragte Barbara entsetzt.
In diesem Moment näherte sich ihnen eine kleine Frau mit einem jungen Mann im Schlepptau. »Da sind Sie ja, Barbara, meine Liebe. Erinnern Sie sich noch an mich? Auf Julias Hochzeit? Ich bin Amelia Brownlow, Jeffreys Cousine, und das ist mein Sohn Simon. Ich bin so froh, dass ich euch endlich vorstellen kann. Simon, das ist Julias Schwester, die, von der ich dir erzählt habe.«
Der hübsche junge Mann mit dem Schlafzimmerblick verbeugte sich vor Barbara. »Ist mir eine Ehre, Ma'am.«
Amelia, die recht zufrieden mit sich selbst wirkte, sagte: »Nun, dann lasse ich euch junge Leute mal allein. Amüsiert euch gut!«
Simon blickte belustigt drein. »Mütter! Gott sei Dank ist sie weg. Ihr müsst ihr verzeihen. Sie versucht andauernd, mich zu verkuppeln.« Er blickte Terrance und Kitty an, die beieinander standen. »Ihr müsst Bruder und Schwester sein. Die Ähnlichkeit ist
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