Lockende Kuesse
Kindchen, Sie wissen ja gar nicht, was das ist. Es gibt Zeiten in den Tropen, in denen es vor Hitze flirrt und es so blendet, dass man glaubt, die Dunkelheit würde nie mehr kommen. Ich habe mich oft in der üppigen, überquellenden Vegetation umgesehen und gedacht, die Natur muss in diesem Teil der Welt einfach verrückt geworden sein. Selbst beim Denken bricht einem der Schweiß aus, die Kleidung klebt dir am Körper, und deine Kehle ist beständig ausgedörrt und sehnt sich nach dem nächsten Rumpunsch. Es sind Zeiten wie diese, in denen einen die grüne Heimat lockt. Ein Mann würde seine Seele verkaufen, nur um eine Stunde in der weichen, kühlen Luft seiner irischen Heimat verbringen zu dürfen.«
»Sagen Sie, Charles, ist es sehr gefährlich draußen auf dem Atlantik?«
»Ich kann Sie nicht belügen, Kindchen. Es kann mitunter ganz schön gefährlich sein, wenn man in einen Sturm gerät, aber wenn man in der Schönwetterzeit segelt, kann es so schön sein, wie ein Urlaub.«
»Wie viel kostet eine Seereise?«, erkundigte sie sich neugierig-
»Nun ja, das hängt davon ab, wo man hin will«, antwortete er lächelnd.
»Sagen wir mal, ich würde von Liverpool nach Amerika segeln wollen«, sagte sie und tat, als hätte sie die Orte ganz zufällig gewählt.
»Die Überfahrt sollte nicht mehr als fünfzig Pfund kosten. Wenn Sie natürlich eine Privatkabine wollen, dann kostet es mehr.«
»Kann eine Frau eine Schiffsreise allein buchen? Ich meine, würde man sie ohne Begleitung eines Mannes mitnehmen?«
»Manche würden es«, räumte er ein.
Sie beschloss, das Thema zu wechseln, bevor er misstrauisch wurde.
»Hat man Ihnen schon mal gesagt, dass Sie Ähnlichkeit mit King Charles II besitzen?«
Er warf den Kopf in den Nacken und lachte laut. »Oft! Mir und vor mir meinem Vater«, sagte er mit einem Augenzwinkern. »Ich glaube, wir könnten durchaus von den Stuarts abstammen - falsche Seite der Bettdecke natürlich.« Kitty lachte über seine Bemerkung, und er sagte: »Diese Art von Bemerkung könnte ich einer dieser viktorianischen Damen, die so schnell schockiert sind, natürlich nicht zumuten.«
Sie warf unwirsch den Kopf zurück und sagte: »Ist doch alles nur Heuchelei. Bei jedem gesellschaftlichen Anlass wetteifern die Frauen in London darum, wer am meisten Brust zeigt, aber ein Stückchen Fußgelenk und man gilt als gefallenes Mädchen!«
»Wer das Fußgelenk zeigt, riskiert, verführt zu werden.« Er zwinkerte ihr zu.
Sie seufzte. »Schade, dass Sie das gesagt haben. Ich hätte nämlich sonst sehr gerne Schuhe und Strümpfe ausgezogen und wäre Waten gegangen.«
Ein heftiges Bedauern durchfuhr ihn bei diesen Worten, doch wusste er nicht einmal, ob es ihr ernst war, oder ob sie ihn bloß neckte. Sie kamen an einen umgestürzten Baum, und Kitty setzte sich darauf und tätschelte auffordernd den Platz neben sich. Er saß so dicht neben ihr, dass er den feinen Duft ihrer Haut riechen konnte. Wieder verspürte er eine Enge in seinen Lenden und wusste, dass dies keine Einbildung war. Er blickte auf sie hinab und sagte: »Sie haben ja keine Ahnung, wie verlockend Sie für einen Mann sind.«
»Was meinen Sie damit?« Sie machte große Augen.
»Das kann ich Ihnen nicht sagen, ohne offene, eindeutige Worte zu gebrauchen«, lächelte er.
»Sagen Sie's mir«, drängte sie.
»Sie sind so jung, fast noch ein Kind, und dennoch haben Sie Erfahrung im Ehebett gesammelt. Das ist eine äußerst verlockende Kombination.«
Sofort wünschte sie, sie hätte ihn nicht zum Sprechen gedrängt.
»Nun ja, ich wollte es ja nicht anders, aber jetzt kehre ich reumütig zu konventionellerem Benehmen zurück. Würden Sie mich bitte wieder nach Hause bringen, Euer Ehren?«
»Ich habe Sie beleidigt, Kathleen, und das tut mir Leid. Ich werde Sie sofort nach Hause bringen, aber Sie werden doch wieder mit mir ausfahren, nicht wahr?«
Sie zögerte.
»Mir bleibt nur noch eine Woche, Kathleen. Bitte sagen Sie ja.«
Sie wurde weich. »Nun, mir hat es ebenso gut gefallen wie Ihnen; vielleicht sogar mehr«, sagte sie lachend.
»Das bezweifle ich, Kindchen«, erwiderte er.
Als Kitty nach Hause kam, zerrte Julia sie buchstäblich in ihr Zimmer und begann, kaum dass die Tür zu war, mit Fragen über sie herzufallen. »Kitty, du musst mir helfen! An wen soll ich mich wenden? Wie kann ich dieses Baby nur wieder loswerden?«
Kitty war ganz durcheinander. Wenn Patrick gewusst hätte, dass Julia solche Gedanken hegte, er hätte sie
Weitere Kostenlose Bücher