Lockende Zaertlichkeit
verdrehte die Augen. "Sie merken nie, wenn sie stören." Dann wurde sie wieder ernst. "Wie fühlt Marcus sich denn wirklich? Wir hätten ihn gern einmal besucht, aber Sally hat gesagt, das würde ihm bestimmt nicht recht sein, weil er wegen seiner Erblindung psychisch noch sehr angeschlagen sei."
"Er ist unerträglich", stimmte Olivia zu. "Und dazu noch verletzend und gemein."
"Und Sie lieben ihn sehr, nicht wahr?" fragte Clara sanft.
Olivia nickte. "Ja. Aber ich kann ihn im Moment einfach nicht mehr sehen. Ich musste ihm wenigstens für kurze Zeit aus dem Weg gehen."
"Das verstehe ich sehr gut", erwiderte Clara mitfühlend.
"Schon an dem Tag, als Sie mit Sally von dieser Gartenparty zurückgekommen sind, hatte ich das Gefühl, dass Sie etwas für Marcus empfinden. Und nach Sallys Anruf waren Sie völlig verstört. Aber ich wollte Sie nicht über Ihr Privatleben ausfragen. Auf jeden Fall freue ich mich, dass Sie zu uns gekommen sind. Möchten Sie über Nacht hier bleiben?" < Olivia kämpfte sekundenlang mit sich. Weshalb sollte sie eigentlich nicht bleiben? Samstags hatte sie ohnehin frei. Sie würde nur Sally anrufen müssen, um ihr mitzuteilen, dass sie die Nacht bei den Hayes verbringen würde. Marcus würde zwar seine eigenen Schlüsse daraus ziehen, aber das war Olivia im Augenblick egal.
"Ihr Zimmer ist gleich hergerichtet", versicherte Clara lächelnd. "Und als Entschädigung für alles, was Sie für Rick getan haben, wird er Ihnen morgen früh bestimmt mit Freuden das Frühstück ans Bett bringen."
Da musste Olivia lachen und nahm das Angebot dankbar an.
Während Clara in die Küche ging, um Eric wieder
hereinzuholen, rief Olivia bei den Hamiltons an. Sally war jedoch nicht zu Hause, und von Mrs. Podmore erfuhr Olivia, dass auch Sybil nicht zu sprechen sei.
"Ich kann Sie aber gern mit Dr. Hamilton verbinden", bot die Haushälterin an, und ehe Olivia reagieren konnte, war das Gespräch schon durchgestellt.
"Ja?" meldete sich Marcus schroff.
Olivia befeuchtete sich nervös die Lippen. Was sollte sie jetzt bloß sagen?
"Hallo?" rief er ungeduldig, als Olivia zögerte. "Wer ist da?"
"Ich bin's, Olivia", antwortete sie mit klopfendem Herzen.
"Ich ... ich wollte dir nur sagen, dass ich heute Abend nicht nach Hause komme. Nur damit sich niemand Sorgen um mich
macht."
Es herrschte sekundenlang Stille, dann sagte Marcus freundlicher: "Das ist nicht nötig, Olivia."
"Was meinst du damit?"
"Was ich vorhin zu dir gesagt habe, tut mir Leid", erklärte Marcus unvermittelt. "Ich hatte kein Recht, deine moralischen Prinzipien infrage zu stellen. Komm nach Hause, Olivia."
"Aber ich..."
"Olivia, der Tee ist... oh, Verzeihung", entschuldigte sich Eric, als er merkte, dass Olivia noch telefonierte, und ging zurück ins Wohnzimmer.
"War das Fitzgerald?" fragte Marcus scharf. "Natürlich war er es", gab er sich selbst die Antwort. "Wenn das so ist, brauchst du natürlich nicht nach Hause zu kommen", fügte er verächtlich hinzu. "Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass eine Frau wie du auf One-Night-Stands steht!"
Olivia sagte gar nichts mehr und legte langsam den Hörer auf. Dann atmete sie tief durch, um sich zu beruhigen. Clara und Eric sollten nicht merken, wie aufgewühlt sie Marcus' wegen war.
Eric runzelte die Stirn, als er ihr blasses Gesicht sah. "Stimmt etwas nicht, Olivia? Tut mir Leid, dass ich vorhin
dazwischenge..."
"Nein, nein, es ist alles in Ordnung", versicherte Olivia schnell und rang sich ein Lächeln ab. "Macht... macht es euch etwas aus, wenn ich schon ins Bett gehe?"
"Natürlich nicht", versicherte Clara sanft. "Du wirst sicher müde sein."
Olivia war zwar wirklich hundemüde, doch sie konnte lange nicht einschlafen, weil sie an Marcus denken musste. Wie lange würde sie seine Kränkungen noch ertragen können? Natürlich nahm er nun an, sie würde bei Jason Fitzgerald übernachten.
Wahrscheinlich hielt Marcus sie ohnehin für ein Flittchen und glaubte, sie würde mit jedem x-beliebigen Mann gleich ins Bett gehen, so, wie sie am vorigen Abend auf ihn, Marcus, reagiert hatte. Aber Olivia konnte ja nichts dafür, dass sie ihn liebte und begehrte. Sie vermochte ihre Gefühle jedoch nicht einfach zu unterdrücken, wenn sie mit ihm zusammen war.
"Aufwachen, Frühstück ist da!" Ricks laute Stimme riss Olivia am nächsten Morgen aus dem Schlaf.
Sie kroch schwerfällig unter der Bettdecke hervor und fühlte sich wie gerädert, da sie vor lauter Grübeln kaum geschlafen hatte.
"Ach
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