Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt?
haben auch Besuch.
Gestern waren wir am Bahndamm zum Schlittenfahren. Aber es war uns doch zu kalt und Inge meinte, wir sollten lieber heimgehen. Außer uns waren nur noch zwei Kinder am Damm. Die wollten auch nach Hause.
Da rief uns plötzlich jemand. Wir drehten uns um und sahen, dass da ein Mann stand, der einen schwer beladenen Karren hinter sich herzog. Er langte danach, zog ein Paket heraus und gab es uns. Als er „Frohe Weihnachten“ sagte, merkten wir, dass er Amerikaner war, obwohl er ganz normal aussah. Die anderen Kinder bekamen auch ein Paket. Inge wurde knallrot, aber sie bedankte sich höflich, setzte mich auf den Schlitten und befahl mir, das Paket gut festzuhalten. Dann sauste sie, den Schlitten hinter sich herziehend, nach Hause.
Wir rissen das Paket auf - und zum Vorschein kamen unbekannte, ungeahnte Köstlichkeiten. Als Papa heimkam, war er ebenfalls total überrascht. Da gab es Schokolade, die ich noch nie gesehen hatte. Kaugummi, bei dem wir gar nicht wussten, was wir damit anfangen sollten und viele andere herrliche Sachen. Was würde sich Mama über die Dosen mit Wurst und Schinken und besonders über den Kaffee freuen. Außerdem gab’s zu Papas Freude noch richtige Zigaretten in dem Paket.
Heute Mittag haben wir Mama im Krankenhaus besucht. Sie hat sich auch riesig über all die guten Sachen gefreut. Und uns hat sie die größte Freude gemacht, sie kommt nämlich übermorgen aus dem Krankenhaus raus. Jetzt kann es Weihnachten werden. Wenn uns die Amerikaner wirklich vom Fleisch befreit haben, dann tut es ihnen sicher leid und sie geben uns wieder etwas zurück.
Unser Mann aus Texas
Wir haben unsere Betten jetzt im Wohnzimmer stehen. In den zwei großen eisernen, schlafen meine Eltern und ich. Inge hat ein eigenes Bett. Das hat Papa selbst gebaut und weiß gestrichen.
In unserem Schlafzimmer wohnt jetzt Tante Ruth. Sie ist noch ganz jung, furchtbar lieb und wunderschön. Mama sagt, sie hätte Schlafzimmeraugen. Ihre Augen sind auch wirklich sehr groß und dunkelgrau, mit tollen Wimpern. Tante Ruth ist Mamas Cousine und kommt aus Brasilien. Sie wartet darauf, dass sie wieder nach Brasilien zurück kann. Inzwischen wohnt sie bei uns. Das hat meine Mutter jedenfalls so gesagt. Ich hoffe aber, dass Tante Ruths Vater nie eine Schiffskarte schickt, sie soll immer bei uns bleiben.
Tante Ruth hat auch eine Mutter, die kommt manchmal zu Besuch und wartet auch auf eine Schiffskarte. Sie wohnt aber woanders, sogar in einem richtigen Schloss, bei anderen Verwandten.
Die Mutter kam zu Besuch nach Deutschland mit Tante Ruth. Sie war damals noch ein kleines Mädchen. Sie waren ja Deutsche und hatten in Deutschland Verwandte. Dann kam der Krieg und sie mussten hierbleiben. So ist das gekommen.
Wir verdanken Tante Ruth auch unseren eigenen richtigen Ami, weil der ihr Freund ist. Er heißt Onkel Bob und ist auch sehr schön. Zwar hat er die übliche Uniform an, aber wenn man ihm ins Gesicht schaut, sieht er lieb und ganz so wie andere Leute aus. Nur sehr hübsch.
Er bringt meinem Vater Zigaretten und meiner Mutter manchmal echten Kaffee mit. Für Inge und mich hat er immer Candy und Mounts, das ist eine mit Kokosnuss gefüllte Schokolade. Das Innere davon esse ich besonders gern. Er hat auch Kaugummi und ganz himmelblaue Augen.
Ich habe auch schon Englisch von ihm gelernt. Neulich habe ich zu ihm gesagt: „Do you have so nice eyes.“ Da hat Mama gedacht, ich würde ihn um Eiscreme anbetteln und war richtig zornig. Aber er stellte selbst klar, dass ich ihm nur gesagt hätte, er hätte schöne Augen. Da lachte sie wieder. Eiscreme ist auch so was herrlich amerikanisches.
Als Onkel Bob das erste Mal zu uns kam, hatte er Durst. Mein Vater gab ihm ein Glas Wasser. Er nahm das Glas und gab es Papa zurück. „Du erst trinken“, sagte er. Papa tat es und Onkel Bob trank dann das ganze Glas aus.
3. Bild
Ulrike und ihr Lieblingsami: Onkel Bob
Ausgesetzt
Über uns wohnen Mohrs, sie haben drei Buben und auch eine Untermieterin im Schlafzimmer. Deshalb haben sie es auch gut, die Buben meine ich; denn durch die Untermieterin haben sie auch einen Ami.
Jetzt ist das Wetter wieder schön, da haben sie draußen auf der Wiese Fotos gemacht, mit unseren Amis, Tante Ruth und der Helga von Mohrs. Sie haben sich hingestellt, als würden sie sich gegenseitig erschlagen. Dabei haben sie aber gelacht. Papa hatte eine Axt in der Hand, Herr Mohr einen Stock und Onkel
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