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Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt?

Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt?

Titel: Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Essling
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Schwester schon von Weitem. Sie schwenkte den Zettel und gab Mama die Tüte. „Du solltest doch auf keinen Fall aufmachen“, brauste diese auf. Wir beruhigten Mama, als wir ihr erklärten, dass die Soldaten diesmal freundlich gewesen seien. Auf dem Zettel stand:
Wir traurig, denken Du böse,
andere Mann uns verfolgen.
Verzeih.
    Ein Pfund Kaffee, Schokolade und drei Päckchen Camel waren in der Tüte. Der Schrecken hatte also auch was Gutes gebracht, meinte Mama.
     
     

Geben Sie mir 75 Pfennig die Stunde
    Alle reden von der Währungsreform. Ich verstehe das aber noch nicht. Ich kapiere nur, dass alle Personen gleich viel Geld bekommen sollen, und man alles im Laden kaufen kann. Jetzt kaufen Inge und ich ganz offen Zucker beim Braun. Alle Leute wirken irgendwie froh. Ich fragte Inge, ob ich auch eine Person sei. Sie überlegte, was man ihr immer ansieht, und sagte schließlich: „Na, man könnte sagen, dass Du eine halbe Person bist.“ Die halbe Person kommt jetzt in die Schule. Ich freue mich so.
     
    Mein Vater arbeitet gelegentlich für andere Leute. Sie rufen ihn, wenn der Wasserhahn tropft oder überhaupt nicht läuft. Auch beim Hausbau hilft er. Da geniert er sich immer, bezahlt zu werden, ist aber trotzdem froh, wenn er was bezahlt bekommt. So ist er zu anderen Leuten. Mama ärgert sich immer darüber. Zuhause kann der Wasserhahn tagelang tropfen, das stört ihn nicht einmal. Ich weiß auch, warum; denn er nimmt mich manchmal zu den Leuten mit. Die sagen dann: „Das haben Sie aber prima hingekriegt, Herr Scholl“, und machen ihn damit ganz verlegen. Aber das machen die Leute nur, damit sie ihm weniger bezahlen müssen. Manchmal wird mir auch über den Kopf gestrichen mit dem üblichen: „Was hast Du für schöne Locken!“ Und wenn sie meinen Vater total einwickeln wollen, bekomme ich auch noch ein Stück Kuchen. Das drückt alles die Preise, meint meine Mutter, außerdem hätten wir’s nötig. Wir müssen ja auch unsere Miete und die anfallenden Kosten pünktlich bezahlen.
    Die Miete kostet zweiunddreißig Mark fünfzig und wir bringen das Geld an jedem Ersten zu Herrn Weigand, der am anderen Ende der Kaiserstraße wohnt. Mama gibt ihm dann immer seufzend das Geld, fein säuberlich abgezählt. Herr Weigand schreibt in ein großes schwarzes Buch, dass Scholls die Miete bezahlt haben, und seufzt dann ebenfalls, wie schwer die Zeiten seien. Auf diese Weise lerne ich alle Leute in Kattenbach kennen. Viele haben auch Kinder, mit denen ich spielen kann.
    Eines Tages nahm mich mein Vater mit zu Wolfs. Da machte er auch irgendetwas an der Wasserleitung. Die Wolfs bestehen aus einer Mutter und vier Kindern. Der Vater ist im Krieg gefallen. Die zwei Mädchen sind in Inges Alter. Eine ist schwarzhaarig, ruhig und vernünftig. Die andere hat einen blonden Struwwelkopf und steckt voller Einfälle. Der ältere Junge ist wie seine vernünftige Schwester.
    Aber der Paul, der ist wie seine struwwelige Schwester, einfach herrlich. Wir haben sofort gemerkt, dass wir zusammenpassen. Frau Wolf hat, wie sie sagt, am meisten Last mit ihm. Er stellt soviel an. Dabei will er doch gar nicht immer was anstellen, sagt er. Das glaube ich ihm auch; denn man kann ja nicht immer wissen, was aus einer guten Absicht wird. Ich kenne das ja auch aus Erfahrung. Erwachsene sehen das halt alles immer anders.
     
    Die Schule ist auch nicht das, was ich gedacht habe. Stundenlang muss man still sitzen und auch noch genau zuhören, was der Lehrer erzählt. Dann will er auch noch von uns Kindern wissen, was er uns erzählt hat.
    Dabei fing es so aufregend an. Alle hatten eine große bunte Schultüte voller Süßigkeiten. Damit wurden wir fotografiert. Dann kamen wir in unsere Klasse und der Lehrer las uns unsere Namen vor. Wen er aufrief, der musste den Finger in die Höhe strecken. Den Paul hat er dreimal aufgerufen, bis der merkte, er war gemeint. Bin ich froh, dass Paul in meiner Klasse ist. Auch Edgar und die Ursel von unserem anderen Hauseingang. Sie kann ich auch gut leiden. Sie hat blonde Zöpfe und massenhaft Sommersprossen. Sie ist immer fröhlich und trotzdem ist sie die Beste in unserer Klasse.
    Das mit der Schultüte war auch so was. Kaum kam ich heim aus der Schule, habe ich sie aufgemacht, um die vielen guten Sachen anzugucken. Aber da gab`s nur ein paar Karamellen und eine Tafel Schokolade, eine Rolle Drops und eine Apfelsine. Alles andere war Zeitungspapier. Sehr viel Zeitungspapier!
    Unser Lehrer ist zwar ein alter Mann,

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