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Lockruf Der Leidenschaft

Lockruf Der Leidenschaft

Titel: Lockruf Der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
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ebenso wenig gut, sie bei diesen Temperaturen die ganze Nacht über reglos auf der Straße stehen zu lassen. Nach einigen vergeblichen Versuchen gelang es Nicholas endlich, den Mann wieder zur Besinnung zu bringen, wenngleich dieser sich allem Anschein nach nicht mehr erinnern konnte, was ihn so weit von seinem üblichen Revier weggeführt hatte. Wortlos steckte er die zwei Guineen ein, die der schuldbewusste Nicholas ihm in die Hand drückte, und schnalzte mit der Zunge, ehe er wieder auf seinem Kutschbock zusammensank, als die Pferde anzogen und die Droschke davonrumpelte. Im Vertrauen darauf, dass die Tiere den Rückweg zum heimischen Stall schon von allein finden würden, wandte Nicholas sich wieder seiner anderen, weitaus unbequemeren Verantwortung in Gestalt des Mädchens zu. Sie hatte seine Jacke eng um ihren Leib gewickelt und stand zitternd vor Kälte da. Ihr Gesicht war bleich und tränenverschmiert, was ihrer Schönheit jedoch nicht den geringsten Abbruch zu tun schien, wie Nicholas flüchtig dachte. Ihr Anblick weckte lediglich das überwältigende Bedürfnis in ihm, sie in seine Arme zu nehmen. Sie rieb abwechselnd einen nackten Fuß am anderen Bein in dem vergeblichen Bemühen, die Berührung ihrer Fußsohlen mit dem vereisten Boden auf ein Minimum zu reduzieren. Also hob Nicholas Polly kurzerhand auf seine Arme, da dies schlicht und einfach die praktischste Lösung für ihr Problem war, sagte er sich.
    »Oh!«, rief Polly verdutzt, obwohl es eine alles andere als unangenehme Überraschung für jemanden war, der noch nie zuvor in seinen siebzehn Lebensjahren den Beistand anderer erfahren hatte. »Bin ich denn nicht zu schwer?« »Nicht übermäßig«, erklärte Nicholas mit glaubwürdiger Unbekümmertheit. »Nimm den Türklopfer und klopf an.« Polly griff nach dem schweren Messingtürklopfer und schlug mehrmals energisch gegen die Tür. Wenige Augenblicke später war von drinnen das schabende Geräusch von Riegeln zu hören, ehe die Tür aufschwang und den Blick auf einen jungen Pagen freigab, dessen schlafverquollene Augen und zerknitterte Livree von seinem Unvermögen zeugten, wach zu bleiben und aufzupassen, während er auf die Rückkehr seines Herrn wartete. »Du kannst jetzt zu Bett gehen, Tom«, sagte Nicholas und marschierte schnurstracks an dem Burschen vorbei in die Halle, ohne dem entgeisterten Blick, mit dem dieser das Bündel in seinen Armen anstarrte, Beachtung zu schenken.
    »Ja, M'lord«, murmelte Tom, als Nicholas zur Treppe strebte.
    »Seid Ihr etwa ein Lord?«, erkundigte sich Polly, als ihr zu ihrer Bestürzung klar wurde, dass sie trotz der Intimitäten, die sie und der Gentleman geteilt hatten, noch nicht einmal seinen Namen kannte. Wenn er tatsächlich ein Adliger war, würde er ihr noch mehr Hilfe bieten können, als sie ursprünglich gehofft hatte. »Zufälligerweise, ja. Nicholas Lord Kincaid, zu Euren Diensten.«
    Polly kicherte über die unter diesen Umständen geradezu lächerlich geschraubt klingende Vorstellung, während Nicholas in ihr Gesicht blickte und dasselbe ansteckende Lächeln erkannte, das ihn zuvor in der Taverne schon so bezaubert hatte. Eigentlich hatte er vorgehabt, sie ins Dachgeschoss zu schicken und bei den Dienstboten übernachten zu lassen, aber die schliefen um diese späte Stunde alle schon tief und fest, sodass dort oben alles stockfinster war. Überdies war das Mädchen noch immer durchgefroren bis auf die Knochen und damit wohl kaum in der geeigneten Verfassung, sich Fremden gegenüber zu erklären - gesetzt den Fall, dass sich überhaupt eine vernünftige Erklärung für ihr Auftauchen finden ließe. Mit einem Achselzucken trug Nicholas seine Last also in sein eigenes Schlafgemach, wo ein Feuer im Kamin prasselte und der sanfte Schein von hohen Wachskerzen in einem vielarmigen Kerzenleuchter ein warmes, anheimelndes Licht verbreitete.
    Mit geradezu ehrfürchtigem Erstaunen starrte Polly auf das riesige, luxuriös anmutende Bett mit seinen mit Daunen gefüllten Kissen, den bestickten Vorhängen und den reich geschnitzten Bettpfosten. »Die Wände sind ja bemalt!«, rief sie, als Nicholas sie abstellte. Sie lief über den gewachsten, glänzend polierten Eichenfußboden, um die Szenen und Muster zu betrachten, die mit
    feinen, kunstvollen Pinselstrichen in Blau und Gold auf die Holzvertäfelung gemalt waren. »Wie hübsch!« Plötzlich schob sich das Bild ihres Strohlagers vor ihr geistiges Auge - jene armselige Pritsche in dem stickigen kleinen

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