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Lockruf Der Leidenschaft

Lockruf Der Leidenschaft

Titel: Lockruf Der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
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passend. Auch er war einfältig genug gewesen, auf ihre Schönheit und dieses raffinierte Theater hereinzufallen. Er bemühte sich, das Mädchen vor ihm nüchtern und objektiv zu betrachten, und stellte fest, dass er es nicht konnte. Er versuchte, Wut in seinem Inneren heraufzubeschwören, doch auch das wollte ihm nicht gelingen. Dieses bezaubernde Geschöpf, das so sachlich schilderte, mit welch knapper Not es Brutalität und Schändung entronnen war, hatte schon genug unter der Grausamkeit des Lebens zu leiden gehabt.
    Es kostete ihn einige Anstrengung, doch am Ende gelang es ihm, den Blick von ihr loszureißen und sich wieder zu der Karaffe umzuwenden. Er füllte zwei Gläser. »Zieh dein Hemd wieder an und leg dich in dein Bett.« Er wartete, bis ein Rascheln und ein Knarren hinter ihm erkennen ließen, dass Polly seiner Aufforderung nachgekommen war. Dann drehte er sich wieder zu ihr um und trat mit einem der Gläser vor das Rollbett. »Hier, trink das. Davon wird dir warm werden.«
    Behutsam ergriff Polly das Glas aus venezianischem Kristall; noch nie zuvor hatte sie etwas so Zerbrechliches und Kostbares berührt.
    »Wo hast du eigentlich gelernt, so zu sprechen?«, erkundigte Nicholas sich beiläufig. Diese Frage hatte ihm schon einiges Kopfzerbrechen bereitet, doch er hoffte zugleich, dass ein Themenwechsel helfen würde, die Anspannung und Betretenheit, die zwischen ihnen aufgekommen waren, zu vertreiben.
    Mit gerunzelter Stirn nippte Polly an ihrem Brandy. »Sprechen? Wie denn? Da gibt's doch wohl nix dran zu mäkeln, wie ich sprechen tu, he?«
    Nicholas lachte, während sie ihm ein spitzbübisches Lächeln über den Rand ihres Glases hinweg schenkte. »Du bist ein impertinentes kleines Frauenzimmer, Polly Beantworte meine Frage!«
    »Prue war früher einmal bei einem Landpfarrer in Stellung. Das war vor langer Zeit, bevor sie Josh geheiratet hat. Sie erlaubten ihr, mich mitzubringen, obwohl ich noch zu klein war, um zu arbeiten. Aber ich fiel nicht weiter auf; niemand schenkte mir sonderlich große Beachtung. Also habe ich mich immer in irgendwelchen Ecken versteckt und zugehört, wie die Herrschaft sich unterhielt. Und dann habe ich geübt und versucht, genauso zu sprechen wie sie.« Polly schmunzelte. »Ich brachte die Bediensteten in der Küche immer zum Lachen, wenn ich den Hausherrn und die Hausherrin nachgemacht habe, und als Belohnung dafür bekam ich ein Apfeltörtchen oder so was, deshalb habe ich gelernt, es ständig zu tun. Die Familie und alle, die zu Besuch kamen ... Ich brauchte ihnen nur für eine Weile zuzuhören, und schon konnte ich ihre Sprache und Ausdrucksweise perfekt nachmachen.« Ihre Schultern hoben sich kurz. »Aber dann kam Prue auf die Idee, Josh zu heiraten. Also kamen wir wieder nach London. Aber hier fand es keiner mehr lustig, dass ich so sprechen konnte - ganz im Gegenteil. Josh wurde jedes Mal fuchsteufelswild, wenn er mich so reden hörte. Deshalb habe ich damit aufgehört.«
    Eine einfache und durchaus einleuchtende Erklärung, dachte Nick und sah dabei im Geiste ein einsames kleines Mädchen vor sich, von dem niemand Notiz nahm. Ein einsames kleines Mädchen, das sich in dunklen Ecken und Winkeln herumdrückte, um zu lauschen, zu beobachten und im Austausch für ein klein wenig Aufmerksamkeit und ein Apfeltörtchen seine Kabinettstückchen vorzuführen - kein besonders erfreuliches Bild. »Prue ist mit dir verwandt?«
    »Sie ist meine Tante.« Polly trank ihr Glas aus und hielt es Nicholas hin, ehe sie leicht schwankend die Augen schloss. »Ich habe das Gefühl, ich schlafe gleich ein.« Sie streckte sich aus und zog sich die Bettdecke bis zum Kinn. »Ich bin in Newgate zur Welt gekommen. Meine Mutter sollte eigentlich an den Galgen gebracht werden, aber sie bat um Gnade, weil sie schwanger war, also wurde sie zur Deportation verurteilt. Prue nahm mich zu sich, sobald ich geboren war, während meine Mutter in die Kolonien geschickt wurde.«
    Danach herrschte Stille im Raum, lediglich unterbrochen von dem leisen Zischen und Prasseln des Kaminfeuers. Kincaid stellte das Glas auf das Tablett zurück. Es schien eine halbe Ewigkeit her zu sein, seit er in die Taverne »Zum Hund« gegangen war, um dort auf Richard De Winter zu warten. In einer Stunde würde der neue Tag dämmern. Bis dahin musste er sich eine Erklärung für die Anwesenheit dieser hinreißenden Newgate-Göre in seinem Schlafgemach überlegen - eine Erklärung, die Margaret überzeugen würde, die den Haushalt

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