Lockruf Der Leidenschaft
zu begleiten, Richard?«
»Wenn du meinst, dass ich euch von Nutzen sein könnte, dann will ich gern mitkommen.« Im Lauf des Nachmittags stellte Nick fest, dass er Richard für seine Hilfe sogar sehr dankbar war. Entzückt, aber auch voll Un-entschlossenheit stürmte Polly von einem Geschäft ins andere. In der einen Minute befühlte sie noch prüfend einen Ballen mit weißem Damast, in der nächsten hatte sie den eifrigen Tuchhändler zugunsten eines seiner Konkurrenten stehen lassen, der flämische Seide feilbot. Bis zu den Knöcheln stand sie in einem Meer aus entrollten Stoffballen und fragte sich, ob sie den geblümten Spitzentüll oder die Mulberrywolle nehmen sollte, ehe sie ein weiteres Mal entschwand, weil ihr auf der anderen Seite des Hofes in dem Schaufenster eines Hutmachers ein großer, schwarzer Hut aus Biberfell mit weißen Federn ins Auge gefallen war.
»Meinst du, es ist Zeit, die Führung zu übernehmen?«, erkundigte sich De Winter vorsichtig bei Nick, nachdem Polly unzählige Hüte aufprobiert und wieder verworfen hatte, was den Putzmacher in einen solchen Zustand hektischer Besorgnis versetzt hatte, dass er nur noch stammeln konnte.
»Ja, das glaube ich«, entgegnete Nick mit bedauerndem Lächeln. »Aber nur selten habe ich mich so an der Freude eines anderen Menschen ergötzt. Es ist eine Schande, dieses Spiel nun wieder zu beenden.« »Aber hab auch etwas Mitleid mit den armen Tuchhändlern und Putzmachern«, lachte Richard. »Sie haben wirklich ihr Bestes gegeben, und trotzdem war ihnen bis jetzt noch nicht ein einziges Geschäft vergönnt.« Nicholas nickte, straffte die Schultern und stürzte sich in den Kampf. »Die Filzkappe und den Hut aus Biberfell«, verkündete er entschlossen. »Dann die Musselinhaube mit den schwarzen Satinbändern und das Spitzentuch.« »Jawohl, Sir. Mit Vergnügen, Sir.« Der erleichterte Hutmacher strahlte. »Eine bewundernswerte Entscheidung, wenn ich mir die Bemerkung erlauben dürfte.«
»Oh, meint Ihr wirklich?«, fragte Polly zweifelnd. »Ich hatte daran gedacht, lieber den Gazeschal als das Spitzentuch zu kaufen.«
»Das kannst du ein andermal noch tun«, entgegnete Nick. »Und nun lass uns zu dem Tuchhändler zurückgehen, bei dem du den Damaststoff gesehen hast.« Nachdem Nicholas seine Anweisungen für die Lieferung der Hüte erteilt hatte, schob er die widerwillige Polly aus dem Geschäft.
»Oh, seht Euch nur diese Stiefeletten an!«, rief Polly begeistert. »Die sind ja aus allerfeinstem Leder.« Sie wandte sich dem Schumacher zu.
»Später«, widersprach Nicholas, dessen Finger sich wie ein Schraubstock um ihren Arm legten. »Erst einmal gehen wir hier hinein.« De Winter, der sich ein Lachen verbeißen musste, folgte ihnen in den Laden, wo der Tuchhändler sie ein wenig beklommen begrüßte. Er hatte gerade sämtliche Ballen, die geprüft, dann jedoch für unzureichend befunden worden waren, wieder ordentlich aufgerollt.
Doch seine Sorge erwies sich als unbegründet. Die unentschlossene junge Dame war auf einen Stuhl verfrachtet worden, während die beiden Gentlemen auf der Grundlage von Pollys zuvor bekundeten Vorlieben und ihrem eigenen Wissen über die vorherrschende Mode den weißen Damast und den grünen Taft auswählten, um daraus Unterkleider schneidern zu lassen, sowie den scharlachroten Samt und den bernsteinfarbenen Satin für die Tageskleider, die darüber getragen werden sollten. Die Mulberrywolle wiederum würde ein warmes Nachtgewand ergeben. Für zwei der insgesamt drei Unterröcke wurde warmer Köperstoff ausgewählt, der den Kleidern Volumen verleihen sollte, und seidener Spitzentüll für den dritten, der hervorblitzen sollte, wenn Polly beim Gehen ihre Röcke raffte.
Während die entsprechenden Anordnungen getroffen wurden, saß Polly reglos auf ihrem Stuhl. In Wahrheit aber war sie nicht allzu traurig darüber, dass man sie von den endgültigen Entscheidungen ausgeschlossen hatte, da ihr von dem überwältigenden Angebot ohnehin fast schwindlig geworden war. Nick und De Winter dagegen schienen bemerkenswert gut unterrichtet über die Erfordernisse der weiblichen Garderobe, inklusive der Spitzenbordüren für die Ärmelabschlüsse ihrer Hemden, die unter den weiten, nur bis zu den Ellenbogen reichenden Ärmeln ihrer Überkleider hervorlugen sollten.
»Das sollte vorläufig genügen«, verkündete Nick schließlich. »Zwar kann man das kaum als eine komplette Garderobe bezeichnen, aber über deinen weiteren Bedarf können
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