Lockruf Der Leidenschaft
Deshalb quittierte sie seine Vorstellung mit einem höflichen Murmeln und einem weiteren Knicks, ehe sie sich abwandte und eilig die Straße hinunterging. Buckingham stand da, den Blick wie gebannt auf die anmutige Gestalt geheftet, bis sie in Richtung Long Acre um die Ecke bog. Wenn sie nur ein Stück von hier entfernt wohnte, sollte es sich nicht als schwierig erweisen, ihre Adresse und ihren Namen in Erfahrung zu bringen. Eine so seltene Schönheit blieb in den Gaststuben und Geschäften schließlich nicht unbemerkt. Der Herzog von Buckingham winkte seinen Lakaien heran. Polly, die feststellen musste, dass jegliches Verlangen, den Spaziergang noch weiter fortzusetzen, verflogen war, ging durch die Bow Street wieder nach Hause. Das verlockende Aroma von gebratenem Huhn und einem Becher Butterbier vor den großzügig lodernden Flammen ihres Kamins bot zumindest ein gewisses Maß an Entschädigung. Polly saß vor dem Feuer, bewegte behaglich die Zehen in der Wärme und fühlte sich mit der Welt versöhnt, als sie in der Diele De Winters Stimme hörte.
Polly sprang auf, ging zur Salontür und trat in dem Moment auf den kleinen Treppenabsatz, als Seine Lordschaft die Stufen heraufkam. »Oh, Sir, Ihr wolltet uns besuchen? Aber Nicholas ist zu sich nach Hause gefahren.« »Darf ich dann so frei sein, mir einzubilden, dass Ihr Euch über meine Gesellschaft freuen würdet?« Mit einem Lächeln verbeugte De Winter sich.
»Das ist keine Einbildung, Sir, sondern die Wahrheit.« Polly deutete zum Salon hinüber. »Bitte tretet ein, und lasst Euch ein Glas Wein einschenken.«
»Ihr seid eine äußerst talentierte Gastgeberin, Mistress Wyat«, entgegnete Richard lächelnd, während sie ihm Hut und Mantel abnahm.
Polly zögerte einen Augenblick. »Wenn Ihr mir vielleicht auch noch beim Mittagessen Gesellschaft leisten wollt, Mylord, würde ich mich sehr über Eure Gegenwart freuen. Mrs. Benson hat sich große Mühe gegeben, ein leckeres Hühnchen zuzubereiten.«
»Hübsch gesagt!« Beiläufig fuhr er mit dem Finger über ihre Wange. »Ich wäre überglücklich. Die Aussicht auf das Hühnchen der Hauswirtin lässt mir geradezu das Wasser im Mund zusammenlaufen!«
So kam es, dass sich Nicholas, als er die Treppe hinauf und in die Räumlichkeiten seiner Mätresse eilte, ein höchst gemütliches Bild bot. Zwischen den beiden Speisenden herrschte ganz offensichtlich eine entspannte und zwanglose Atmosphäre, und Nick spürte zu seiner Überraschung einen unangemessenen Stich, den er nur als Eifersucht bewerten konnte. Er wusste, dass sich Richard unter keinen Umständen dem Schützling eines anderen Mannes nähern würde und - was noch viel wichtiger war - dass er niemals ihr Ziel aus den Augen verlieren würde. De Winter war ein Politiker mit Leib und Seele, der sich dem Wohlergehen seines Landes verschrieben hatte und persönliche Schwächen, die dieser Verpflichtung zuwiderlaufen könnten, nicht gestatten würde. Und Polly Wyat wurde lediglich dazu benötigt, ihre Pläne in die Tat umzusetzen.
Dennoch empfand Nicholas Pollys perlendes Lachen, das herausfordernde Blitzen in ihren Augen und die leichte Röte, die das Vergnügen auf ihre Wangen gezaubert hatte, wie einen gemeinen Dolchstoß in die Eingeweide. »Oh, wie schön, dass du wieder da bist, Nicholas!« Polly sprang von ihrem Stuhl auf, lief auf Nicholas zu, um ihn zu begrüßen, und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm einen Kuss zu geben.
»Wie geht es Lady Margaret?« Der Kobold der Verschmitztheit erschien flüchtig auf ihrem Gesicht, ehe sie sich um den Anschein frommen Ernstes bemühte. »Ich hoffe sehr, sie musste in den vergangenen Tagen nicht allzu viel entdecken, was den Werken des Teufels Vorschub leistet?«
»Biest!«, rief Nicholas mit einiger Befriedigung, als sein kurzer Augenblick des Unbehagens verflog. »Du hast dich also amüsiert, wie ich sehe?«
»Oh, sehr sogar«, erklärte Polly und zog Nicholas zum Kamin hinüber. »Lord De Winter ist eine äußerst unterhaltsame Gesellschaft.« Sie schenkte dem Neuankömmling ein Glas Wein ein. »Er hat mir von der Fuchsjagd berichtet. Ich möchte zu gerne lernen, ein Pferd zu reiten.«
»Das sollst du«, versprach Nicholas und nahm mit einem dankbaren Lächeln den angebotenen Kelch entgegen. »Wenn das Wetter wieder besser wird.«
»Oh, noch etwas: Heute Morgen hatte ich eine sehr merkwürdige Begegnung«, meinte Polly nachdenklich, als ihr der in weinroten Samt gekleidete Mann einfiel. Ein Schauder
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