Lockruf der Toten / Magischer Thriller
spielen das Spiel von demjenigen mit, der sich diese Story ausgedacht hat. Und der Typ hat keinen Schimmer von Magie. Da hat jemand mal eben im Internet nachgesehen oder vielleicht ein paar Bücher in der Bibliothek durchgeblättert. Was er sich da angesehen hat, ist nicht unsere Magie. Es ist menschliche Magie.«
»Menschliche Magie?«
»Nach menschlichem Volksglauben wird Magie betrieben, indem man jemanden umbringt und sich damit seine Energie, seine Lebenskraft, selbst aneignet.«
Savannah gab ein unfreundliches Geräusch von sich, das ihre Meinung von Menschen ganz allgemein zusammenfasste.
»Aber die menschliche Magie funktioniert doch nicht«, sagte ich.
Molly fixierte mich mit einem vernichtenden Blick. »Ach nee – weshalb ich dir ja auch gleich gesagt habe, jemand hat dich drangekriegt.«
Ich sah zu Savannah hinüber.
»Sie hat recht damit, dass sich das nicht nach einem Opferritual anhört. Genau wie Paige und Lucas gesagt haben. Könnten es die Geister selbst sein, die Streiche spielen?«, fragte Savannah. »Das passiert manchmal, oder?«
»Ein ausgebildeter Nekromant merkt es, wenn das vorkommt.«
Ein pointiertes Schniefgeräusch von Molly.
»Du sagst, es klingt nach einer menschlichen Version von Magie«, sagte ich. »Ist es das vielleicht wirklich? Das Ergebnis eines schwarzmagischen Möchtegernrituals, in dem Menschen jemanden geopfert haben?«
Molly und Savannah sahen sich an. In diesem einen Blickwechsel schienen sekundenlang sämtliche Ressentiments vergessen zu sein – zwei Hexenkolleginnen, die eine akademische Frage erwogen.
»Was passiert eigentlich, wenn Menschen Menschenopfer spielen?«, sagte Savannah – es war halb gefragt und halb laut nachgedacht. »Sie können sich so keine Macht verschaffen, aber passiert irgendwas mit der Seele der Person, die sie umbringen?«
Molly sagte: »Wenn das so wäre, dann hätten die Nekromanten schon mal mit solchem Zeug zu tun gehabt.«
»Dann passiert es vielleicht nicht jedes Mal. Aber unter bestimmten Umständen …«
»Wer weiß bei Menschen schon, wie weit die gehen würden, um sich magische Kräfte zu verschaffen. Babys opfern? Kinder? Folter? Verglichen mit denen, sind wir doch Waisenkinder.«
Sprach die Frau, die eine Stunde zuvor noch willens und bereit gewesen war, mir mit einem glühenden Stock die Augen auszustechen. Aber ich wusste, auch Savannah würde sagen, dass der Fall hier anders lag. Ich hatte eine Bedrohung dargestellt. Ich hatte wissentlich das Haus einer schwarzen Hexe betreten; man hätte also anführen können, dass ich das Risiko freiwillig eingegangen war. Es war nicht das Gleiche wie das Opfern eines Kindes in der Hoffnung auf eine magische Belohnung.
Savannah und Molly erörterten die Möglichkeiten noch eine Weile, kamen aber zu keinem Ergebnis. Menschliche Magie zu recherchieren schien der logische nächste Schritt zu sein, aber das war etwas, bei dem keine von ihnen mir helfen konnte.
Die Sonne ging unter, als wir fertig waren.
Savannah fragte Molly: »Deine Kinder sind bei einer Freundin, stimmt’s?«
Molly nickte.
»Denen kann also nichts passieren, wenn du später auftauchst als erwartet. Folgendes werde ich jetzt machen. Erstens, ich binde dir die Hände nicht los. Das ist deine Sache. Zweitens lasse ich dich in einem Bindezauber hier sitzen. Wenn ich weit genug weg bin, bricht der von allein, und du kannst bis zum Parkplatz gehen, dein Handy suchen und den Abschleppdienst rufen. Aber wenn du versuchst, es uns heimzuzahlen – jetzt oder später –, dann löst du damit beim Rat eine Untersuchung der Umstände aus, unter denen Mike gestorben ist.«
Als wir zu Mollys Wohnviertel zurückfuhren, um nach Jeremy zu suchen, erklärte Savannah, dass sie mir gefolgt war, sich aber im Hintergrund gehalten hatte, bis unverkennbar war, dass ich Hilfe brauchte.
»Woran hat man’s gemerkt?«, erkundigte ich mich. »War es der Moment, als sie mich gefesselt und geknebelt hinten ins Auto geladen hat? Oder eher, als sie dann gesagt hat: ›Ich werde dich umbringen und deine Leiche in dem Sumpf da versenken‹?«
»Hey, eine Weile hat es ganz danach ausgesehen, als würdest du sie noch überzeugen. Ich hab mich nicht einmischen wollen.«
Mit anderen Worten, sie hatte mir die Chance geben wollen, mich aus eigener Kraft zu befreien.
»Mach dir nichts draus«, sagte sie. »Ist ja nicht deine Schuld, dass du die coolen Superkräfte nicht hast.«
»Danke.«
Sie warf mir ein schiefes Grinsen zu.
Ich
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