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Lockruf der Toten / Magischer Thriller

Lockruf der Toten / Magischer Thriller

Titel: Lockruf der Toten / Magischer Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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Mir waren die sarkastischen Lehrer immer lieber gewesen, die gelangweilten Lehrer – diejenigen, die wenig von mir erwarteten. Sie waren fast unmöglich zu enttäuschen.
    »Dies ist keine Klassenarbeit, Jaime.«
    Ich fuhr zusammen, als hätte er meine Gedanken gelesen.
    Und wie kam ich eigentlich darauf, dass nicht genau das der Fall war?
    »Wenn du möchtest, dass ich dir die Antwort gebe, dann werde ich es tun«, sagte er, und der sonore Klang seiner Stimme war jetzt gedämpfter. »Aber ich glaube, du ziehst es vor, selbst dahinterzukommen. Es gibt hier keine Rätsel und keine Fangfragen. Du hast keinen Hinweis vernachlässigt. Du hast ganz einfach eine Möglichkeit übersehen, die übersehen zu haben ich dir keinen Vorwurf machen kann: die Möglichkeit des Unmöglichen.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Warum ist menschliche Magie unmöglich?«
    »Weil sie nicht funktioniert.«
    »Ah.«
    Ich warf ihm einen scharfen Blick zu. »Oder doch?«
    »Man hat nie etwas davon gehört, dass sie es getan hätte, abgesehen von gelegentlichen Fällen, in denen ein Nicht-Formelwirker irgendeine niederrangige Formel gemeistert hat. Aber selbst dann hatte der Wirkende fast immer einen Rest von paranormalem oder dämonischem Blut. Und die Formeln waren immer von der einfachsten Sorte. Mit Sicherheit nichts, was eine Seele fragmentieren könnte.«
    »Dann ist es also unmöglich.«
    »Vor fünfzig Jahren hatte kein Mensch jemals einen Fuß auf den Mond gesetzt. Bedeutet das, dass derlei damals unmöglich war?«
    »Natürlich nicht, nur dass die Naturwissenschaft noch nicht so weit …«
    Ich brach ab.
    »Evolution«, sagte Aratron sinnend. »Eine seltsame Sache.«
    Er drehte sich um und brach eine Rose von einem Busch, wobei er den Stiel mit dem Daumennagel durchtrennte. Dabei geriet er mit dem Daumen an einen Dorn, und ein Tropfen Blut glitt an seinem Handgelenk entlang. Er verfolgte die Spur des Tropfens und studierte dann den blutigen Dorn mit dem kühlen Interesse eines Wissenschaftlers, der Ursache und Wirkung beobachtet.
    Er drehte die Handfläche nach oben und berührte die Einstichstelle am Daumen mit dem Zeigefinger. »Das tut weh, nehme ich an.«
    »Du spürst das nicht?«
    »Doch, aber es bedeutet nichts. Wenn dir das passiert wäre, hättest du mit Sicherheit daraus gelernt, mit Rosen vorsichtiger umzugehen.«
    Er legte die Hand fest um die Rose, und ich schauderte bei der Vorstellung davon, wie die Dornen sich ins Fleisch gruben. Als er die Faust wieder öffnete, war seine Handfläche blutverschmiert.
    »Für mich?« Er hob die Hand. »Lediglich interessant. Nun bin ich mir zwar sicher, dass der Mann, dem dieser Körper gehört, es nicht gerade schätzen wird, was ich getan habe. Aber wenn das, was ihr Schmerz nennt, mich nicht weiter stört, wie soll ich dann Mitgefühl mit ihm haben? Und trotzdem – obwohl ich den Schmerz nicht wahrnehmen kann, begreife ich, dass er existiert, und das erklärt in meinen Augen, wozu diese Dornen da sind.«
    »Um die Blume zu schützen. Um ihre Aussichten aufs Überleben zu verbessern.«
    »Evolution. So wie Menschen sich entwickeln können bis hin zu dem Punkt, wo sie imstande sind, sich in Wölfe zu verwandeln – und besser in der Lage zu jagen, Nahrung zu finden, sich zu verteidigen. Eine Anomalie sicherlich, aber ist nicht genau das Sinn und Zweck der Anomalien? Die Wurzel der Evolution? Ein Mann, der zum Teil Wolf ist, mit überlegenen Kräften, überlegenen Sinnesleistungen. Ein weiterentwickeltes Raubtier. Es funktioniert, und zugleich …« – er hob seine blutigen Finger – »… gibt es Nachteile, Makel, Unvollkommenheiten innerhalb des Entwurfs. Eine Welt voller Werwölfe würde sich selbst vernichten. Als Anomalie dagegen funktioniert es … vorläufig.«
    »Ist es das, was wir sind? Anomalien – vorübergehende Aberrationen? Die Theorie habe ich schon gehört. Es ist also wahr?«
    »Wahr?« Er drehte die Blume in der Hand. »Nein, es ist eine Theorie und wird immer eine bleiben. Das ist der Konflikt zwischen Wissenschaft und Glauben. Ich kann sagen, dass die Paranormalen zufällige Mutationen sind, die sich in evolutionärer Hinsicht auf irgendeine Art bewährt haben. Die Tatsachen scheinen es zu bestätigen. Aber wenn eine höhere Macht sagte: ›Nein, ich war es, der das getan hat, es ist Teil meines Plans‹ – wie könnte ich dem widersprechen? Was ich dir sagen kann, ist, dass diese Mutationen öfter vorkommen, als du annehmen würdest. Die meisten

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