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Lockruf der Vergangenheit

Lockruf der Vergangenheit

Titel: Lockruf der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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festgestellt hatte, wandte Colin sich erschüttert von mir ab und schlug mit der Faust an die Steinmauer.
    »Wie grauenhaft!« rief er. »Dann ist es also wirklich wahr, und ich habe die ganze Zeit recht gehabt.«
    Eine ganze Weile starrte er hinaus in die Dunkelheit. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, aber ich hörte seinen schweren Atem und konnte mir vorstellen, was jetzt in ihm vorging.
    »Aber dann – « begann er unsicher. »Der Tumor, Leyla… Der Tumor…« Er kam stockend einen Schritt auf mich zu. »Heißt das, daß er Lüge ist? Daß es die Krankheit der Pembertons gar nicht gibt?«
    »Ja, Colin.«
    »Mein Gott! Alles eine niederträchtige Lüge, eine gemeine Erfindung!«
    »Ja.«
    »Ich kann es nicht glauben«, flüsterte er. »Ich kann es einfach nicht glauben. Und ich wußte es nicht…« Er begann, in dem kleinen Turmzimmer hin und her zu gehen. »Es ist unfaßbar! Jahrelang glaubten wir alle daran. Und es ist nichts als Lüge. Jahrzehnte, Jahrhunderte…« Er schlug wieder an die Wand. »Sir John, Onkel Robert, Onkel Henry! Dann hatte ich also von Anfang an recht. Dein Vater wurde tatsächlich ermordet, Leyla.« Er drehte sich zu mir herum. Und plötzlich rief er freudig aus: »Dann – dann bist du ja frei, Leyla! Dann hast du nichts zu fürchten!«
    »Ja.«
    Ich kann nicht sagen, was dann geschah. Ich erinnere mich nur, daß ich plötzlich in Colins Armen lag, und er mich an sich drückte, als wollte er mich nie wieder loslassen. Und ich hatte das Gefühl, als hätte ich nie woanders hingehört, als sei ich endlich nach Hause gekommen. Ich spürte seine Wärme und seine Kraft, und sie sagten mir mehr als tausend Worte.
    Lange standen wir so, dicht zueinander geschmiegt, und sprachen kein Wort. »Leyla, Liebste«, flüsterte Colin dann, »du weißt ja nicht, was ich ausgestanden habe. Diese letzten Tage – dich zu sehen, dich zu lieben und dabei zu wissen, daß du früher oder später das Opfer dieser grauenvollen Krankheit werden würdest. Oft habe ich dagesessen und dich nur angesehen und gedacht, ich könnte die Qual nicht ertragen. Ich war so verbittert, du kannst es dir gar nicht vorstellen.«
    Er schob mich ein wenig von sich ab und strich mir über das Haar, während er mich ansah. »Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Ich sah keine Zukunft für uns. Es war schrecklich. Aber jetzt bist du frei, Leyla. Wir sind beide befreit von diesem schrecklichen Fluch, der über Generationen auf dieser Familie lag. Ach Leyla, meine Leyla!«
    Voll Zärtlichkeit sah er mich an, doch plötzlich veränderte sich sein Gesicht, zeigte tiefe Verlegenheit. So plötzlich, wie er mich in seine Arme geschlossen hatte, ließ er mich jetzt los und wich zurück. »Guter Gott! Entschuldige, Leyla. Bitte verzeih’ mir. Ich habe völlig kopflos gehandelt. In meiner Glückseligkeit über das, was du mir gesagt hast, habe ich mich völlig vergessen. Ich muß mich für mein Benehmen bei dir entschuldigen und könnte es dir nicht einmal übelnehmen, wenn du mich jetzt ohrfeigst.«
    »Weshalb sollte ich das tun?« Ich hätte gleichzeitig weinen und lachen können.
    »Ich habe mich wie ein Flegel benommen und deine Schwäche ausgenützt. Aber glaube mir, ich war – «
    Jetzt mußte ich wirklich lachen. »Ach, Colin, hör’ auf, dich zu entschuldigen. Wenn du den Kopf verloren hast, liebe ich dich dafür um so mehr.«
    Er sah mich ungläubig an.
    Ich war selbst erstaunt über mich – nicht über das, was ich gesagt hatte, sondern darüber, wie leicht es mir über die Lippen gekommen war. »Ich liebe dich wirklich, Colin«, sagte ich leise.
    Wieder nahm er mich in seine Arme, und diesmal küßte er mich, leidenschaftlich und zärtlich zugleich, auf eine Art, wie nie zuvor ein Mann mich geküßt hatte. Nichts war mehr wichtig in diesem Augenblick, nur wir beide.
    Sein Gesicht schien sich verändert zu haben; es war weicher, offener, als hätte sein ganzes Wesen in dieser kurzen Zeit sich gewandelt. »Ich kann nicht glauben, daß mir das geschieht«, sagte er vor Freude lachend. »Ich komme mir vor wie im Traum. Ich glaubte fest, ich würde mich niemals in meinem Leben verlieben, sondern bis ans Ende meiner Tage ein zynischer Junggeselle bleiben. Und dann kamst plötzlich du.« Er legte mir sacht eine Hand auf die Wange. »Erinnerst du dich noch an die ersten Worte, die du mit mir gewechselt hast? Du sagtest: ›Tante Anna sagte mir, daß ich dich hier treffen würde und riet mir eine Begegnung mit dem exzentrischen Colin

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