Lockruf des Blutes
Ende spitz zuläuft. »Ich will es damit nicht überstürzen, aber das werde ich tun, wenn es sein muss.«
Ich nicke. Meine beste Chance liegt darin, ihn so lange am Reden zu halten, bis ich wieder bei Kräften bin. Ich kann nicht gegen ihn kämpfen, aber wenn ich es nach draußen schaffe, kann ich fliehen.
»Welche Rolle spielt Frey bei alledem?«, frage ich und lasse den Kopf wieder ans Polster sinken.
Er nickt beifällig und legt den Pflock zu seinen Füßen ab. »Frey war hinter meinem Vater her. Das hat alles in Boston angefangen, als Dad eine von Freys Schülerinnen für ein ganz spezielles Video angeheuert hat. Ganz ähnlich wie das, was wir uns für Trish vorstellen. Aber das Mädchen bekam hinterher ein schlechtes Gewissen und hat versucht, sich umzubringen.«
Er winkt ab. »Welch eine Verschwendung. Jedenfalls ist eine von ihren Freundinnen zu Frey gegangen, und der hat uns das FBI auf den Hals gehetzt. Aber Frey war fast zu clever. Er konnte nicht erklären, woher er so viel darüber wusste, und er wollte den Namen des Mädchens nicht preisgeben. Schließlich geriet er selbst in Verdacht. Es gab nicht genug Beweise, um ihn wegen irgendetwas anzuklagen, aber er musste trotzdem den Staat verlassen. Schulbehörden sind bei solchen Sachen ziemlich komisch.«
Er lacht, kurz und bellend. »Ist das zu fassen? Taucht der Kerl hier auf. Wir hatten gerade die Sache mit Trish auf die Beine gestellt, und da taucht er hier auf. Ein Glück, dass Bradley auf Zack ist. Er hat dafür gesorgt, dass er und Donovan auf Frey angesetzt wurden.«
Meine Fingerspitzen und Zehen kribbeln. Ich habe das eigenartige Gefühl, von innen restauriert zu werden. Zelle für Zelle heilt mein Körper sich selbst und entlässt das Gift durch die Poren nach draußen.
Aber es reicht nicht. Noch nicht. Ich brauche noch ein paar Minuten.
Darryl beobachtet mich aufmerksam. Ich muss ihn am Reden halten. »Was ist mit Barbara Franco? Kennst du sie aus Boston?«
Er wirkt verblüfft. »Aus Boston?« Er grinst. »Na, was sagt man dazu? Sie ist auch aus Boston?«
Er geht nicht näher auf meine Frage ein, also bohre ich nach. »Wenn du sie nicht kanntest, warum hast du sie dann umgebracht?«
Es entsteht eine Pause, und Unsicherheit spiegelt sich kurz auf seinem Gesicht. Doch sein Drang zum Prahlen gewinnt die Oberhand. Genau darauf habe ich gehofft.
Er schüttelt stirnrunzelnd den Kopf. »Ich weiß, was du eigentlich fragen willst. Ob wir sie für einen Snuff-Film umgebracht haben? Das sind genau die Sachen, die unserem Geschäft so einen üblen Ruf bescheren. Zunächst mal sind Snuff-Filme eine moderne Legende. So etwas gibt es gar nicht. Ist auch nicht nötig. Die Technologie macht es überflüssig, solche Risiken einzugehen. Die Spezialeffekte heutzutage …«
Der will mir wohl einen Vortrag halten. Herrgott. »Spezialeffekte sind mir scheißegal. Was ist mit Barbara passiert?«
Meine gereizte Stimme lässt erneut Zweifel in Darryl aufkommen, die man ihm deutlich ansieht. Er greift nach dem Pflock und steht langsam auf. »Du willst mich mit diesen ganzen Fragen doch nicht etwa hinhalten, oder?«, fragt er.
Jetzt oder nie. Ich schnelle hoch und springe so weit von Darryl weg, wie ich kann. Er stürzt mir nach, quer durch den Raum. Ich schaffe es nicht zur Tür. Der einzige andere Ausweg ist das Fenster, von schweren Vorhängen verdeckt. Ich sprinte aus voller Kraft darauf zu, packe den Vorhang und hechte mit dem Kopf voran durch die Glasscheibe.
Ich pralle auf dem Boden auf und rolle mich ab. Glassplitter regnen auf mich herab, doch der Vorhang schützt mein Gesicht und meinen Kopf. Die frische Luft trifft mich wie ein Eimer kaltes Wasser, herrlich klar. Ich lasse den Vorhang fallen und renne los.
Darryl brüllt aus dem Fenster. Ich schaue mich nur einmal um und sehe, dass er versucht, mir zu folgen. Blut rinnt aus Schnittwunden an seinen Armen und Beinen, wo er sich an den Resten der Fensterscheibe verletzt hat. Ein Jammer, dass er sich nicht den Hals aufgeschlitzt hat.
Dann bin ich auf und davon und renne wie der Wind.
Kapitel 41
I ch laufe weiter, weg von Darryl und seiner sorgfältig präparierten, vergifteten Falle. Sobald ich die Freeway-Brücke erreicht habe, halte ich an. Ich habe meine Handtasche nicht dabei; sie liegt in Bradleys Auto. Was bedeutet, dass ich kein Handy habe, um mir ein Taxi zu rufen oder Williams zu warnen. Das Einzige, was mir übrig bleibt, ist zu Fuß zum Polizeihauptquartier zu laufen.
Ich renne los
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