Lockruf des Blutes
hochfahren lässt. Bradley steht dort oben, mit einem Gesichtsausdruck, der Verwirrung und Wut widerspiegelt.
»Stehen bleiben.« Sein Befehl hallt bellend durch den Garten. Er tastet unter seiner Jacke nach etwas herum.
Ich schubse Ryan zum Auto, und wir hechten hinein. Eine Kugel schlägt auf der Motorhaube ein und wird auf die Scheibe abgelenkt. Das Sicherheitsglas platzt, ein Muster bildet sich darin, das sich wie ein kompliziertes Spinnennetz nach außen ausdehnt.
Ich drücke Ryans Kopf herunter und lasse den Motor an.
Der zweite Schuss durchschlägt die Scheibe und bleibt im Armaturenbrett stecken. Durch die Windschutzscheibe kann ich kaum mehr etwas sehen. Ich lege den Rückwärtsgang ein und manövriere mich mit Hilfe der Spiegel aus der schmalen Gasse hinaus. Sobald wir die Straße erreicht haben, schlage ich auf das Glas ein, bis die Windschutzscheibe ganz herausfällt. Auf dem Bürgersteig bleiben die Leute stehen und starren mich an. Aus dem Augenwinkel sehe ich Bradley und einen zweiten Mann die Gasse entlang auf uns zurennen.
Mein Fuß tritt das Gaspedal durch, und wir sind verschwunden, noch bevor sie die Straße erreichen.
Für ein Kind bleibt Ryan ziemlich cool. Er umklammert den Haltegriff an der Tür so fest, dass seine Knöchel weiß schimmern, aber er drückt sich nicht schlotternd in den Sitz, brüllt irgendwelche ablenkenden Fragen oder verlangt heulend, nach Hause gebracht zu werden.
Er wird mir immer sympathischer.
Aber was soll ich jetzt mit ihm anstellen?
Uns bleiben nur Minuten, bis Bradley uns wieder auf den Fersen sein wird. Ich muss das Auto loswerden. Direkt vor uns liegt der Belmont Park mit der Giant-Dipper-Achterbahn und dem Plunge, einem riesigen Salzwasser-Schwimmbad. Das Ganze ist entweder ein achtzig Jahre altes, historisches Juwel oder eine Beleidigung für das Auge, die ihre besten Zeiten längst hinter sich hat, je nachdem, wie man es betrachten will. Jedenfalls ist die Anlage ein belebter Freizeitpark voller Menschen und damit genau das, was ich brauche.
Ich biege auf den Parkplatz ein und suche nach dem richtigen Plätzchen. Ich finde es zwischen zwei dicken Jeeps. Ein perfektes Versteck für den winzigen Miata. Ryan und ich springen heraus, und ich dränge ihn zum Eingang. Wir gehen aber nicht in den Park, sondern beobachten den Parkplatz von einem sicheren Aussichtspunkt neben den Kassenschaltern und warten auf den schwarzen Wagen.
Der kommt auch, beinahe sofort. Doch zu meiner Erleichterung biegt er nicht auf den Parkplatz ab, sondern fährt weiter in Richtung Mission Bay Drive zur Innenstadt.
Vermutlich wollen sie zu Darryl. Mit ein bisschen Glück ist der Scheißkerl inzwischen verblutet.
Nun, da die unmittelbare Gefahr vorüber ist, werden Ryans Augen groß vor nachträglicher Panik. »Wo ist der Computer?«, fragt er. »Sie haben ihn nicht mehr, oder?«
»Ist schon gut, Ryan.« Ich lege ihm beruhigend einen Arm um die Schultern. »Wir brauchen ihn nicht mehr. Ich weiß, wer für diese Videos verantwortlich ist.«
»Wer ist es?«
»Ich glaube nicht, dass er dir je begegnet ist. Er war ein Freund von Trishs Mutter.«
Seine Schultern verkrampfen sich. »Aber nicht Trishs Stiefvater, oder?«
Da ist etwas Neues in seinem Tonfall, etwas, das vorher nicht da war. Es klingt bitter und vorwurfsvoll. »Stiefvater?«
Ryans Augen werden schmal. »Trish hat ihn immer Dad genannt. Aber ich wusste, dass er nicht ihr richtiger Vater war. Ich habe einmal gehört, wie ihre Mutter sich mit ihm unterhalten hat, und sie wusste nicht, dass ich zuhöre.«
»Was hast du gehört?«
»Trishs Mutter hat ihn gewarnt, er sollte die Finger von Trish lassen, und er hat gelacht und gesagt, warum denn? Da sie ja keine Blutsverwandten seien, wäre das doch kein Problem? Mir war ganz schlecht.«
Mir wird auch schlecht. Und ich koche schon wieder vor Zorn. Was Trish durchmachen musste, ist abscheulich. Carolyn ist tot, und ich habe keine Ahnung, wer dieser Stiefvater ist. Aber Bradley und Darryl sind mir wohlbekannt und lebendig, und ich schwöre mir im Stillen, dass sie dafür bezahlen werden.
Kapitel 42
D och erst einmal habe ich ein Problem. Ich kann Ryan nicht nach Hause schicken, und ich kann ihn auch nicht mitnehmen. Also bleibt mir nur eine Möglichkeit.
Das Taxi holt uns vor dem Belmont Park ab. Ryan blickt überrascht drein, als ich dem Fahrer das Ziel nenne, doch wieder einmal stellt er keine Fragen. Sein Vertrauen in mich geht mir zu Herzen.
Als wir uns der Tür zu
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