Lockruf Des Mondes
Cait«, rief sie und hoffte, dass sie durch das dicke Holz zu hören war.
Die Tür wurde geöffnet, und Cait zog Emily ins Zimmer, knallte die Tür hinter ihr zu und legte den Riegel wieder vor. Ihre Augen waren gerötet, aber sie weinte nicht.
Sie sah zu wütend aus zum Weinen. »Wie kann er es wagen, so etwas zu mir zu sagen? Er hat mir praktisch vorgeworfen, diesen Jungen umgebracht zu haben! Hast du das gehört?«
»Ja, doch ich glaube nicht, dass er das ernst gemeint hat.«
»Aber er hat es gesagt.« Das Schuldbewusstsein in Caits gequältem Blick griff Emily ans Herz. »Und vielleicht hatte er ja recht.«
»Nein, das hatte er nicht! Selbst wenn Talorc den Soldaten getötet hat - und ich vermute stark, dass er es nicht war -, wärst du nicht dafür verantwortlich, bloß weil du Drustan nicht vor der Gefahr gewarnt hast. Jeder Narr wäre von selbst auf die Idee gekommen, dass dein Bruder entweder selbst herkommen oder Spione auf die Insel schicken würde. Und nachdem die Balmorals unbemerkt auf Sinclair'sches Gebiet gelangen konnten, hätte ihnen klar sein müssen, dass die Sinclairs hier die gleiche Möglichkeit besaßen.«
Cait verschränkte die Hände über ihrem gewölbten Leib. »Drustan ist kein Narr, und der Laird ebenfalls nicht.«
»Das dachte ich eigentlich auch«, erwiderte Emily giftig, als sie sich an die absurden Beschuldigungen erinnerte, die Lachlan gegen sie erhoben hatte.
»Ich weiß nicht, ob sie sich gedacht hatten, dass Talorc auf der Insel war, aber Lachlan wusste es jedenfalls seit gestern Abend. Eine Werwölfin hatte meinen Bruder entdeckt und es ihm berichtet. Der Laird hat Drustan heute Morgen darüber unterrichtet.«
»Warum sind sie dann so wütend, dass wir es ihnen gestern nicht gesagt haben? Es hätte für diesen Jungen nichts geändert, wenn wir es erzählt hätten - da sie es ohnehin schon wussten, als er getötet wurde.«
»Das ist eine logische Folgerung, Emily, aber ich weiß nicht, ob Männer immer so logisch denken.«
»Nein, das glaube ich eigentlich auch nicht.« Lachlans schmerzliche Beschuldigungen entsprachen jedenfalls keiner vernünftigen Denkweise. »Drustan hat Ulf übrigens für seine höhnischen Bemerkungen an dich mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Er hat Ulf gedroht, ihn zu töten, falls er dich noch einmal beleidigt, und ich bin sicher, er hat das ernst gemeint, auch wenn seine eigenen Worte an dich noch schlimmer waren.«
Für einen Moment sah Cait erfreut aus über das Gehörte, aber dann runzelte sie wieder die Stirn. »Ja, was du im großen Saal gehört hast, war sogar noch schlimmer als das, was er vorher unter vier Augen zu mir gesagt hatte.«
»Nachdem Lachlan ihm berichtet hatte, dass Talorc entdeckt worden war?«
»Ja. Ich hatte ein Schläfchen gemacht, und er wartete, bis ich erwachte, um mich danach zu fragen. Man könnte direkt meinen, er sei höflich, nicht?«, bemerkte sie in einem Ton, der deutlich machte, was sie von dem Höflichkeitsgrad ihres Mannes hielt.
»Was hat er gesagt?«
»Er wollte wissen, ob ich meinen Bruder gesehen hatte, und da ich nicht rundheraus lügen konnte, habe ich es eingestanden. Ich wollte ihm so viel erzählen, Emily, besonders nachdem wir entdeckt hatten, dass wir wahre Seelenverwandte sind, doch ich hatte solche Angst, und er verstand das überhaupt nicht.«
»Er dachte, es hätte dir egal sein müssen, ob dein Bruder von den Balmorals getötet wurde?«
»Ich weiß es nicht. Er sagte nur immer wieder, ich hätte ihm vertrauen müssen, aber wie konnte ich das? Er mag Talorc nicht ...«
Darauf musste Emily lächeln.
Ganz unversehens brach Cait in Tränen aus. »Vielleicht hätte ich Drustan vertrauen sollen. Er schien sehr verletzt zu sein über mein mangelndes Vertrauen. Und jetzt hasst er mich. Du hast ja selbst gehört, was er gesagt hat.«
Emily legte einen Arm um Cait. »Aber Männer sehen die Dinge meist ganz anders als wir Frauen. Ich erinnere mich, dass mein Vater einmal einen Jungen auspeitschen ließ, weil er Äpfel aus unserem Obstgarten gestohlen hatte. Er verstand nicht, warum die Mutter des Jungen, die in unserer Küche arbeitete, ihn danach immer so böse ansah, wenn sie ihm begegnete. Für ihn war Stehlen ein Unrecht, und er konnte nicht verstehen, dass sie wegen einer solchen Kleinigkeit seinen Zorn riskierte.«
»Aber er hatte ihren Sohn auspeitschen lassen«, entgegnete Cait und gab sich sichtlich Mühe, ihre Tränen zu verdrängen.
»Ja, Gefühle lassen sich nicht von den
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