Lockruf Des Mondes
besitzt.«
»Nein, das ist etwas, was uns gleich nach unserer ersten Verwandlung beigebracht wird - und worin ich selbst nie besonders gut war, wie ich gestehen muss. Aber das spielt in dem Fall keine Rolle. Ein Werwolf kann seinen eigenen Geruch verbergen, jedoch nicht den, den er an anderen hinterlässt.«
»Wie ist der Junge dann getötet worden?«
»Ohne berührt zu werden, vielleicht mit einem Messer, das in Sand und Schlamm vom Grund des Sees gereinigt worden war.«
»Um jeglichen Geruch vom Griff des Messers zu entfernen?«
»Ja.«
»Aber das würde doch bedeuten, dass der Mörder den jungen Soldaten überhaupt nicht angefasst hat - nicht einmal, um ihn zu überwältigen, nicht wahr?«
Cait sah aus, als würde ihr übel. »Ja. Der Soldat muss ihn gekannt haben. Schlimmer noch, der Junge war ein Chrechte. Er hatte wahrscheinlich noch nicht die Kontrolle über seine Verwandlungsfähigkeit, doch es hätte einen anderen Werwolf oder einen sehr starken menschlichen Krieger gebraucht, um ihn zu töten.«
»Und der hätte ein Balmoral und dazu auch noch ein sehr erfahrener Krieger sein müssen.« Emilys Verdacht gegen Ulf verstärkte sich. »Lachlan wird keinen seiner eigenen Leute einer solchen Gräueltat verdächtigen.«
»Das glaube ich auch nicht. Wir müssen mit Talorc reden. Er könnte etwas gesehen haben.«
»Aber wie? Sie werden uns nicht erlauben, die Burg noch einmal zu verlassen, von einem Ausflug an den See erst ganz zu schweigen. Lachlan war sehr aufgebracht darüber, dass wir ohne Begleitschutz hingegangen waren. Er sagte, er sei um unsere Sicherheit besorgt, doch wahrscheinlich traute er uns nicht«, bemerkte Emily verärgert.
Sie hatte beschlossen, Cait noch nichts von ihrem Verdacht zu erzählen, bis sie gehört hatten, was Talorc zu sagen hatte. Falls sie sich irrte, war es besser, wenn niemand wusste, was sie dachte. Sie hatte schon genug Probleme mit Lachlans Bruder, ohne ihn auch noch eines Verbrechens zu beschuldigen, von dem sie nicht vollkommen sicher war, dass er es begangen hatte.
»Er hätte so oder so die Wachen am Tor angewiesen, uns nicht hinauszulassen.«
»Was sollen wir dann tun?«
Cait antwortete nicht, sondern lief in ihr Schlafzimmer, und als sie kurz darauf zurückkam, hatte sie ihr Sinclair-Plaid dabei.
»Hast du vor, das Plaid zu wechseln?«, fragte Emily verwirrt. Sie wusste, dass ihre Freundin verärgert über ihren Mann war, aber sich seine Worte so zu Herzen zu nehmen, erschien ihr doch ein bisschen übertrieben.
»Nein. Mithilfe dieses Plaids werden wir unsere Freiheit wiedererlangen«, erwiderte sie grimmig und begann mit der Kraft des Werwolfs, der ihr innewohnte, das Plaid in lange, dünne Streifen zu zerreißen.
Als sie damit fertig war, verknotete sie die Streifen miteinander, bis ein dünnes, etwa hundert Fuß langes Seil daraus entstanden war.
Ohne eine Aufforderung abzuwarten, nahm Emily das eine Ende in die Hand und breitete ihre Arme aus, damit Cait das Seil darum aufwickeln konnte wie ein dickes Knäuel Wolle. »Was tun wir mit dem Seil?«
»Oben in diesem Turm gibt es ein Zimmer, das wie deins als Gefängniszelle benutzt werden kann, aber ein Fenster in der Außenmauer hat, das groß genug ist, um hindurchzuklettern.«
»Warum sollte ein solcher Raum denn ein so großes Fenster haben?«
»Für den Fall einer Belagerung, glaube ich, um zu fliehen oder Nahrungsmittel zu beschaffen. Es ist zu hoch, um von außen von einem Belagerungsturm erreicht zu werden. Und da zwischen der Mauer und dem Kliff nur ein schmaler Streifen Land liegt, könnte kaum ein Belagerungsturm von dieser Seite her an die Burg herangebracht werden. Bogenschützen bietet sie ebenfalls kein gutes Ziel.«
»Verstehe ... aber wenn wir durch das Fenster entkommen, könnte ein Gefangener das dann nicht auch?«
»Aus einem Männerplaid ließe sich kein ausreichend langes Seil herstellen, und weibliche Gefangene sind hier selten. Außerdem würde der Raum nur benutzt werden, wenn dein Zimmer schon belegt wäre. Aber ist es wirklich nötig, das jetzt zu erörtern, Emily?«
»Tut mir leid. Meine Neugierde geht manchmal mit mir durch.«
Cait lächelte. »Das mag ich so an dir.«
Emily verzog das Gesicht. »Nur eben nicht in diesem Moment. Verstehe. Dann lass uns hoffen, dass die Wachen auf dem Wehrgang uns nicht sehen.«
»Das ist ein Risiko, das wir eingehen müssen. Doch wenn sich der Wachmann auf dem Turm nicht gerade weit über die Brüstung beugt, um zur Seite
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