Lockruf Des Mondes
wurde, die durch das Wasser pflügten, und der Wellen, die sich an ihnen brachen.
»Ich werde gewinnen«, versicherte Lachlan ihr schließlich leise, und dann war sie ebenso zweifelsfrei entlassen, als hätte er sich wirklich von ihr abgewandt.
Unerklärlich verletzt von seiner Zurückweisung, richtete sie den Blick auf das Wasser seitlich ihres Bootes. Es sah nicht beruhigender aus als beim ersten Mal, als sie hingeschaut hatte. Die Insel, auf die sie offensichtlich zuhielten, schien so weit entfernt zu sein wie eh und je, und das Wasser erstreckte sich in einer schier endlosen Fläche dunkler Dünungen um sie herum.
Drustan nahm Cait die Fesseln ab und half ihr zu ihrem Platz bei Emily zurück, bevor er seine Ruder wieder aufnahm.
Ohne den Zorn, der ihr Mut gemacht hatte, begannen Emily nun furchtbare Bilder von dem kenternden Boot oder riesigen Wellen, die sie und Cait über Bord spülten, zu quälen.
»Wirst du die Beleidigungen dieser Engländerin dulden?«, unterbrach Ulfs aufgebrachte Stimme ihren Wachtraum.
»Sie wird sich entschuldigen«, entgegnete Lachlan mit unerschütterlicher Sicherheit.
»Nein, das werde ich sicher nicht«, murmelte Emily, ohne nachzudenken, und war hinterher überrascht, dass sie die Worte überhaupt aus ihrer engen Kehle hatte zwängen können.
Ein Knurren kam tief aus Lachlans Brust, ein Geräusch, das so gar nicht menschlich war, dass es Emily frösteln ließ und das unheilvolle Gefühl, das sie beherrschte, noch verstärkte. Sie warf ihm einen Blick zu und wünschte sofort, es nicht getan zu haben. Seine Augen waren noch weniger menschlich als gewöhnlich durch das Gold, das das Braun seiner Iris jetzt fast vollständig bedeckte. Offenbar war er kolossal verärgert auf sie, anders konnte Emily es sich nicht erklären.
Wäre sie nicht aus dem Alter heraus, an Ungeheuer wie Drachen und Werwölfe zu glauben, würde sie ihn für einen halten. Eine eisige Kälte lief ihr über den Rücken, und sie musste sich auf die Lippe beißen, um nicht vor Furcht zu wimmern.
»Dann gibst du also zu, dass sie recht hat? Dass es schwach und feige von dir ist, an Frauen Rache zu nehmen statt an Männern?«
Lachlan sprang auf und trat dem wütenden Soldaten gegenüber. Eine fast greifbare Anspannung ging von ihm aus, als er gefährlich leise sagte: »Du wagst es, mich herauszufordern, Ulf?«
»Nicht ich bin es, der dich herausfordert. Das war sie, und du tust nichts, um sie für diese Dreistigkeit zu strafen.«
Das Boot schwankte, und ein Schrei stieg in Emilys Kehle auf, den sie nur so mühsam unterdrücken konnte, dass ihre Kieferknochen schmerzten. Sie senkte den Kopf und schloss ganz fest die Augen, um die Realität aus ihrem Bewusstsein auszuschließen, aber die Geräusche von Wind und Wellen ließen das nicht zu.
»Vielleicht denkt er ja, es sei Strafe genug, sie zu zwingen, deine Gesellschaft zu ertragen«, warf Cait spöttisch ein.
Ein Handgemenge entstand, und das Boot fiel gefährlich weit zu einer Seite ab und dann zur anderen. Emily verlor sich tiefer und tiefer in der Furcht, die sie beherrschte, und in ihrer Verzweiflung riss sie wieder ihre Augen weit auf und suchte nach dem stärksten Menschen auf dem Boot: Lachlan.
Er stand über ihr und hielt Ulf zurück, als müsste er verhindern, dass der Mann ihr an die Kehle ging.
Ihre Hand fuhr hoch, um sie zu schützen, was im Ernstfall natürlich völlig sinnlos wäre.
Der Blick, mit dem Ulf seinen Anführer ansah, war so voller Wut und Anklage, dass seine Augen förmlich sprühten. »Wenn du dir das gefallen lässt, ist das deine Sache, aber ich werde solche Beleidigungen nicht hinnehmen«, fauchte er.
»Du wirst hinnehmen, was ich dir befehle hinzunehmen.« Lachlans Ton war der grimmigste, den sie bisher von ihm gehört hatte.
»Du würdest dem Feind also den Vorzug gegenüber deinem Bruder geben?«
Ulf war Lachlans Bruder? Rein äußerlich mochte eine gewisse Ähnlichkeit bestehen, aber ansonsten waren sie doch völlig unterschiedlich.
»Balmoral'sche Krieger greifen keine Frauen an.«
»Sie hat uns alle schwer beleidigt!«, brüllte Ulf und zeigte mit dem Kopf auf Emily.
»Sie ist Engländerin und kennt unsere Gebräuche nicht. Aber sie wird lernen.«
Ein kleiner Teil von Emily empfand die Erklärung als beleidigend, doch sie war viel zu besorgt über die Gefahr, auf See zu sterben, um sich wirklich aufregen zu können.
Die Sonne war noch nicht ganz untergegangen, als sie die Insel der Balmorals
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