Lockvögel
Gutes oder Schlechtes?«
»Gutes. Viel Gutes sogar, um ehrlich zu sein. Sie haben mit Ihrer bisherigen Tätigkeit Eindruck gemacht. Daher hatte ich — nun ja, ich hatte eigentlich einen robusteren Herrn erwartet.«
»Gehen wir doch nicht wie die Katze um den heißen Brei herum«, mischte sich Bertha ein, nachdem sie ihren massigen Körper schwer atmend in den Drehstuhl hinter ihrem Schreibtisch gequetscht hatte. »Bisher hat sich noch jeder von Donalds äußerer Erscheinung täuschen lassen. Er ist jung und ein schmales Handtuch, aber der Bursche hat Köpfchen. Ich habe ihm schon kurz geschildert, worum es sich handelt. Die Sache wird also von uns übernommen. Ich selbst bearbeite den finanziellen Teil, während Donald den Außendienst überwacht. Und jetzt schießen Sie los, und machen Sie Donald mit den Einzelheiten vertraut.«
Hawley sah mich noch immer prüfend an, als zögere er, mich auf Grund meines Äußeren zu akzeptieren. Schließlich aber setzte er sich, holte eine Akte aus seiner Diplomatentasche, legte sie auf die Knie, und ratterte dann die Daten und Fakten aus dem Gedächtnis herunter, ohne auch nur einen Blick in die Papiere zu werfen.
»Es handelt sich um Carter T. Holgate, einen der cleversten Grundstücksmakler«, sagte er. »Ein Großverdiener, der Angst davor hat, wegen eines von ihm verschuldeten Verkehrsunfalls verklagt zu werden. Er hat bei uns eine Haftpflichtversicherung in unbegrenzter Höhe abgeschlossen. Am 13. August fuhr er mit seinem Wagen in der Stadt Colinda in nördlicher Richtung, als er an eine Verkehrsampel kam. Er hat zugegeben, daß er abgespannt und deshalb vielleicht etwas unaufmerksam war. Während der Fahrt durch die Stadt hatte er sich immer hinter einem Sportwagen gehalten. Als beide Wagen sich der Kreuzung von Haupt- und Siebenter Straße näherten, wechselte die Ampel auf Rot, und der Wagen vor Holgate bremste hart. Holgate fuhr auf ihn auf. Es war ein leichter, niedriger Sportwagen, der von einer Miss Vivian Deshler gesteuert wurde, die in Colinda, Kalifornien, im Apartment Nr. 19 der Miramar-Apartments wohnt. Sie ist 26 Jahre, 1,65 Meter groß und blond. Wie wir erfuhren, ist sie geschieden und lebt von einer einmaligen Abfindung des ehemaligen Ehemannes, die sie aber fast aufgebraucht hat. Sie behauptet nun, eine innere Schockverletzung erlitten zu haben. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß so etwas der Alptraum jeder Versicherung ist. Unbestreitbar kann sie ernsthafter Natur sein und erst nach einiger Zeit in Erscheinung treten. Andererseits gibt es überhaupt keine Möglichkeit, das nachzuprüfen. Sie hat angeblich ständig Kopfschmerzen. Wie wollen Sie beweisen, daß sie keine hat? Es besteht auch nicht der geringste Zweifel daran, daß unser Klient haftbar ist. Er war vom langen Fahren ermüdet und hat uns im Vertrauen erzählt, er habe gehofft, an der Fahrzeugschlange vor ihm vorbeizukommen. Er hatte Gas gegeben, um zu überholen, fand keine Lücke und mußte sich wegen entgegenkommender Fahrzeuge wieder einordnen. Da er naturgemäß schneller fuhr als die Fahrzeugschlange, übersah er die rote Ampel an der Kreuzung. Sein Reaktionsvermögen war herabgesetzt, und so fuhr er auf den Vordermann auf. Unglücklicherweise war es ausgerechnet ein leichter Sportwagen.«
»Die Sache ist mir soweit klar«, unterbrach ich ihn. »Aber was haben wir dabei zu tun?«
»Bei solchen Schadensansprüchen pflegen wir Erkundigungen über den Antragsteller einzuziehen. Wir suchen in Erfahrung zu bringen, was das für ein Mensch ist, wo er herkommt, was er tut. Vor allem interessiert uns, ob sich die tägliche Arbeit, die er verrichtet, mit der von ihm angegebenen Verletzung in Einklang bringen läßt. Sehen wir einmal die Dinge so, wie sie sind: Da tritt bei der Gerichtsverhandlung eine hübsche junge Frau in den Zeugenstand, zeigt den Geschworenen großzügig ihre schönen Beine, lächelt sie an und beginnt dann, ihre Krankheitssymptome zu beschreiben. Ihre Stimme vibriert vor verhaltenem Schmerz und läßt erkennen, daß sie leidet. Ihr scheues Lächeln deutet an, daß sie dennoch mutig den kommenden Schlägen eines ruinierten Lebens ins Auge sieht. Sie spricht von Kopfschmerzen, die sie immer wieder quälen, von schlaflosen Nächten, der zunehmenden Nervosität und sonstigen Beschwerden. Natürlich können wir sie daraufhin ins Kreuzverhör nehmen und etwa folgendes sagen: >Und wie sieht der Alltag in Ihrem Leben aus, Miss Deshler? Nehmen wir doch beispielsweise mal den
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