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Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition)

Titel: Lockwood & Co. - Die Seufzende Wendeltreppe: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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Schmunzeln auf diesen alten Lippen? Es war wohl das Abscheulichste von allem, das schadenfrohe Schmunzeln eines Mörders, schauriger als jede Heimsuchung. Wie viele andere Menschen, die ihm im Lauf der Jahre in die Quere gekommen waren, hatte er wohl noch kaltblütig beseitigt?
    »Hier?«, wiederholte er. »Dann zeig es mir.«
    »Aber gern.« Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Lockwood mir verzweifelt Zeichen machte, um meine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Doch ich wich seinem Blick aus. Ich hatte mich bereits entschieden. Ich wusste, was ich tat.
    Ich zog das Döschen unter meiner Jacke hervor. Als ich es vom Hals nahm, glaubte ich es hinter der Glaswand fahl aufleuchten zu sehen, aber vielleicht war es auch nur die Spiegelung einer Lampe. Dann öffnete ich den Verschluss.
    »Das ist doch ein Silberglas«, sagte Grebe plötzlich. »Wieso habt ihr das Medaillon da reingetan?«
    Ich ließ den Inhalt des Behälters in meine flache Hand gleiten. George schnappte nach Luft, und Fairfax sagte etwas, aber ich hörte nicht hin. Ich lauschte einem anderen Geräusch. Noch war es fern, aber es kam rasch näher.
    Das Medaillon war so eiskalt, dass meine Handfläche schmerzte. »Bitte sehr«, sagte ich. »Es gehört Ihnen.«
    Ich hielt Fairfax das Schmuckstück mit ausgestrecktem Arm hin und drehte den Kopf zur Seite.
    Der junge Fairfax auf dem Foto an der Wand betrachtete, die eine Hand in Heldenpose in die Hüfte gestemmt, mit sinnender Miene den Totenschädel. Auf dem Gesicht des alten, hinfälligen Fairfax von heute malte sich Bestürzung, als er die Halskette erblickte.
    Ein Windstoß traf meine Wange und ließ mein Haar flattern. Stuhlbeine scharrten über den Teppich, Tische kamen ins Rutschen. Es gab einen lauten Knall, als alle Bücher in der Bibliothek gleichzeitig gegen die Rückwände der Regale geschleudert wurden. Percy Grebe, der an seiner Pistole herumgespielt hatte, fegte es von den Füßen, und er prallte gegen ein Regal. Dann sackte er zusammen. Lockwoods Stuhl krachte gegen den von George. Beide wurden in die Lehnen gedrückt von der Energiewelle, die von meiner Hand ausging.
    Dann platzten sämtliche Glühbirnen auf einmal.
    Aber es wurde nicht dunkel, jedenfalls nicht für mich, denn plötzlich stand das Mädchen im Raum. Sie trug das hübsche Sommerkleid mit den gelben Blumen. Sie stand zwischen mir und Fairfax, und das Anderlicht umfloss sie in wahren Kaskaden, ergoss sich in Strömen über Stühle und Teppiche und umspülte als kalt gleißende Flut die Lesetische.
    »Mir ist kalt« , hörte ich sie klagen. »So furchtbar kalt.«
    Ich vernahm wieder das leise Klopfen, wie in jener Nacht im Haus der Hopes, in der alles begonnen hatte. Diesmal klang es nicht wie ein Knöchel an der Wand oder wie ein Nagel, der in ein Brett geschlagen wird, sondern wie das gleichmäßige Pochen eines Herzens. Sonst war alles totenstill. Ganz kurz begegneten sich unsere Blicke, dann wandte sich das Geistermädchen dem alten Mann im Sessel zu.
    Fairfax spürte ihre Anwesenheit, auch wenn er sie nicht sehen konnte. Er blickte Hilfe suchend um sich, dann tastete er über den Beistelltisch neben seinem Sessel. Als er die Schutzbrille gefunden hatte, drückte er sich die Gläser vor die Augen. Er spähte hindurch und erstarrte, seine Gesichtszüge entgleisten.
    Das Geistermädchen schwebte auf ihn zu, Licht strömte aus seinem Haar.
    Die Brille entglitt Fairfax’ Hand und schlitterte in einem seltsamen Winkel seine Nase hinunter, bis sie herunterfiel. Seine Augen hatten sich vor Überraschung und schrecklicher Furcht geweitet. Wie es sich für einen Gentleman gehört, wenn eine Dame das Zimmer betritt, erhob er sich, bis er wacklig auf seinen schlotternden Beinen stand.
    Das Mädchen breitete die Arme aus.
    Vielleicht wollte Fairfax in letzter Sekunde noch fliehen oder sich wehren, aber die Geisterstarre hatte schon von ihm Besitz ergriffen. Sein Fechtarm zuckte nur noch einmal schwach, seine Hand hing nutzlos neben seinem Gürtel herunter.
    Lockwood dagegen war es gelungen, die verhängnisvolle Benommenheit abzuschütteln. Er zog George am Arm hinter die Stühle und damit außer Reichweite des Geistermädchens.
    Strudel aus Anderlicht griffen wie riesige Finger von allen Seiten nach Fairfax. Das Mädchen hatte ihn nun erreicht. Als das Plasma mit dem Kettenhemd in Berührung kam, zischte und brodelte es. Die Geistererscheinung flackerte, blieb aber standhaft. Das Mädchen schaute dem Alten in die Augen. Er öffnete den Mund, schien

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